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Erbschaft und SchenkungFinanzmittel bei unentgeltlicher Betriebsübertragung
| § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG ist dahingehend auszulegen, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht und nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 EStG dient, für den dort verankerten sogenannten 90 %-Einstiegstest die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind BFH (13.9.23, II R 49/21). |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Der Vater der Klägerin schenkte dieser im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein pharmazeutisches Handelsunternehmen betrieb. Das FA versagte wegen des Einstiegstests die schenkungsteuerlichen Begünstigungen gemäß § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG, denn im Bestand des Unternehmens befanden sich hohe Finanzmittel und damit ein umfassendes Verwaltungsvermögen. Die Tatsache, dass im Betriebsvermögen auch hohe Schulden enthalten waren, spielte für den Einstiegstest nach Ansicht des FA keine Rolle. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG Münster statt. Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen.
Entscheidung
Zwar sei im Streitfall nach dem Gesetzeswortlaut die begehrte Begünstigung für Betriebsvermögen vollständig ausgeschlossen, denn das Verwaltungsvermögen samt Finanzmittel betrage mehr als 90 % des gemeinen Wertes der übertragenen GmbH-Anteile (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG). Die Vorschrift sei aber ihrem Normzweck entsprechend einschränkend auszulegen. Zumindest bei typischen Handelsunternehmen, deren Hauptzweck einer gewerblichen Tätigkeit dient und deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln besteht, ist der Einstiegstest in modifizierter Form unter Abzug der betrieblich veranlassten Schulden durchzuführen. Ohne die Möglichkeit des Schuldenabzugs wäre die Regelung willkürlich und verstieße damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn es wäre vom Zufall abhängig, ob Schulden am Stichtag noch bestehen oder bereits getilgt wurden.
Relevanz für die Praxis
Für die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs gibt es bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer besondere Begünstigungen. Viele Betriebe können sogar ohne jegliche Steuerbelastung auf die nachfolgende Generation übertragen werden. Allerdings hat der Gesetzgeber im Laufe der Jahre ein komplexes Regelwerk geschaffen, um – aus seiner Sicht – unliebsame Gestaltungen zu vermeiden. So soll etwa verhindert werden, dass umfangreiches Verwaltungsvermögen steuerfrei übertragen werden kann. Ein besonderes Augenmerk legt der Gesetzgeber dabei auf die Finanzmittel, z. B. Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und Geldforderungen. Übersteigen die Finanzmittel bzw. das Verwaltungsvermögen eine bestimmte Höhe, droht ein teilweiser oder gar vollständiger Entfall der steuerlichen Begünstigung des Betriebsvermögens.
Im Zusammenhang mit dem Verwaltungsvermögen bzw. den Finanzmitteln ist der Einstiegstest oder 90-%-Test durchzuführen (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG). Dabei wird das Verwaltungsvermögen ins Verhältnis zum Unternehmenswert gesetzt. Erreicht das Verwaltungsvermögen 90 % des Unternehmenswerts oder mehr, wird die steuerliche Begünstigung des Betriebsvermögens versagt.
So positiv ein hoher Bestand an Finanzmitteln rein wirtschaftlich betrachtet auch sein mag, in erbschaft- und schenkungsteuerlicher Hinsicht ist er also „Teufelszeug“. Und zugegeben: Vor der Verschärfung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes war es gang und gäbe, dass Geld aus dem Privatvermögen ins Betriebsvermögen eingelegt wurde, um es steuerfrei übertragen zu können. Unmittelbar nach der Schenkung ist es dann wieder entnommen worden. Wie es aber so ist: Manchmal schießt der Gesetzgeber mit seinen Regelungen übers Ziel hinaus, denn bei dem erwähnten Einstiegstest werden betrieblich veranlasste Schulden – nach dem reinen Gesetzeswortlaut – nicht gegengerechnet. Gerade Handelsunternehmen haben aber oft hohe Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, denen gleichermaßen hohe Verbindlichkeiten gegenüberstehen. Dadurch werden diesen Unternehmen mitunter die steuerlichen Begünstigungen versagt. Doch damit könnte bald Schluss sein.
Praxistipp | Vor diesem Hintergrund fällt die Entscheidung, wonach bei Handelsunternehmen für den Einstiegstest die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind, zugunsten der Steuerzahler aus. Die Finanzverwaltung und möglicherweise auch der Gesetzgeber werden nun reagieren müssen. Dabei wird zu klären sein, welche Unternehmen überhaupt als Handelsunternehmen i. S. d. BFH gelten, zumal zahlreiche Unternehmen sowohl Dienstleistungen erbringen als auch Handel betreiben. Im Übrigen ist die Einschränkung auf Handelsunternehmen ohnehin nicht einleuchtend, denn auch andere Unternehmen können hohe Finanzmittel bei entsprechend hohen Schulden haben. |
AUSGABE: PFB 10/2024, S. 264 · ID: 49880830