FeedbackAbschluss-Umfrage

MusterfallSteuerneutralität durch unentgeltliche Übertragung von Einzel-Assets bei Zahnärzten

Abo-Inhalt19.08.2024567 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH), Thomas Rennar, Hannover

| Eine Begünstigung steuerneutraler Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG ist auch gerade für Zahnärzte praxisrelevant. Hierbei ist nach aktueller Rechtsprechung auch eine unentgeltliche Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaft begünstigt. Welche praktischen Anwendungsfälle sich für Zahnärzte ergeben und auf welche Praxisschritte zur rechtssicheren Umsetzung etwaiger Gestaltungsvorhaben zu achten ist, beleuchtet dieser Beitrag. |

1. Hintergrund

Das BVerfG (28.11.23, 2 BvL 8/13, Beschluss; Rennar in PFB 24 212) hat entschieden, dass eine unentgeltliche Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft ebenfalls von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gedeckt ist. Die vom Gesetzgeber abschließend formulierte Regelung des bisherigen § 6 Abs. 5 EStG lässt insoweit bisher keine Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zu. Das verstößt jedoch gegen den Gleichheitsgrundsatz, weswegen der Gesetzgeber zur entsprechenden Nachbesserung in § 6 Abs. 5 EStG verpflichtet ist und mit Regierungsentwurf zum JStG 2024 auch schon eine Lösung vorgeschlagen hat. Bemerkenswerterweise waren Übertragungen zwischen den jeweiligen Gesamthandsvermögen von Schwester-Personengesellschaften bis zur Kodifizierung des § 6 Abs. 5 EStG in seiner gegenwärtigen Fassung hingegen noch zum Buchwert zulässig (BFH 6.9.00, IV R 18/99, BStBl II 01, 229; BFH 25.11.09, I R 72/08, BStBl II 10, 471).

2. Ertragsteuerliche Schritte zur praktischen Umsetzung

In der Praxis stellen sich zur Umsetzung einer steuerneutralen Buchwertübertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Schwester-Personengesellschaften regelmäßig konkrete Einzelfragen. Hierbei sind insbesondere nachfolgende Umsetzungsschritte zur rechtssicheren Praxishandhabung zu beachten:

Beispiel

Drei Zahnärzte (A, B, C) hatten sich zur Berufsausübung in einer Zahnarzt-GbR (alt) zusammengeschlossen. Aus altersbedingten Gründen ist Zahnarzt A bereits 2019 aus der Zahnarzt-GbR (alt) durch Realteilung ausgeschieden. Eine Steuererklärung der Mitunternehmerschaft wurde für den Veranlagungszeitraum der Realteilung noch in 2020 abgegeben.

Das Betriebsvermögen (Einzel-Assets) der Zahnarzt-GbR (alt) umfasst insbesondere Alt-Forderungen aus vorheriger Praxistätigkeit und Betriebs- und Geschäftsausstattung (BGA), welche den verbliebenen Zahnärzten B und C jeweils hälftig zuzurechnen sind. Die Zahnärzte B und C haben daneben bereits zeitnah eine Zahnarzt-GbR (neu) zur Abgrenzung der Praxistätigkeiten gegründet und deren berufliche Tätigkeit in der Zahnarzt-GbR (neu) in einer neuen Praxis fortgeführt. Mit steuerlicher Wirkung zum 31.12.24 sollen nunmehr sämtliche Einzel-Assets der Zahnarzt-GbR (alt) in das Gesamthandsvermögen der Zahnarzt-GbR (neu) unentgeltlich übertragen werden (Übertragungsakt zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften). Motivationsgründe hierfür sind insbesondere die organisatorische Trennung der verschiedenen Praxiseinheiten sowie wirtschaftliche Gründe zur Kostenersparnis durch Wegfall von Buchführungs-, Beratungskosten etc. bzgl. der Zahnarzt-GbR (alt).

PFB-Grafik_Zahnarzt GBR Trennung Geschäftsbetriebe.eps (© IWW Institut)
Bild vergrößern
© IWW Institut

Beachten Sie | Die ertragsteuerliche Sperrfrist zur Realteilung endet gemäß § 16 Abs. 3 S. 3 EStG drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung und ist durch Abgabe der entsprechenden Steuerdeklaration in 2020 somit zum steuerlichen Übertragungszeitpunkt (31.12.24) bereits abgelaufen. Ist diese dreijährige Sperrfrist hingegen noch nicht abgelaufen, ist für den jeweiligen Übertragungsvorgang rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen, soweit bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen worden sind, nach der Übertragung veräußert oder entnommen werden.

Lösung: Den Hinweis auf die Sperrfrist (Realteilung) vorausgeschickt ist nunmehr eine unentgeltliche Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft ebenfalls von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gedeckt. Daher können die in der Zahnarzt-GbR (alt) verbliebenen Zahnärzte B und C die entsprechenden Einzel-Assets (Alt-Forderungen, BGA, etc.) aus dem Gesamthandsvermögen der Zahnarzt-GbR (alt) in das Gesamthandsvermögen der Zahnarzt-GbR (neu) unentgeltlich – ohne Aufdeckung stiller Reserven – übertragen. Es handelt sich insoweit um beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaften.

  • Schaffung einer zivilrechtlichen Vertragsabsprache,
  • Entnahmehandlung übertragender Personengesellschaft,
  • Einlagehandlung übernehmender Personengesellschaft.

2.1 Unentgeltlichkeit einer Entnahme- und Einlagehandlung zu beachten

Bei einem entsprechenden Gestaltungsvorhaben ist auf die Entnahme- und Einlagehandlung von (Einzel-) Wirtschaftsgütern aus dem übertragenden Gesamthandsvermögen in das aufnehmende Gesamthandsvermögen zu achten. Entnahmen sind hierbei alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahrs entnommen hat (§ 4 Abs. 1 S. 2 EStG). Einlagen sind hingegen alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahrs zugeführt hat (§ 4 Abs. 1 S. 8 EStG).

Erfolgt eine Übertragung durch Buchung auf dem Kapitalkonto I, ist bisher von einer Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auszugehen. Werden neben dem Kapitalkonto I weitere gesellschaftsvertraglich vereinbarte (variable) Gesellschafterkonten geführt, kommt es für deren rechtliche Einordnung auf die jeweiligen vertraglichen Abreden im Gesellschaftsvertrag an (BMF 30.5.97, IV B 2 -S 2241 a - 51/93 II, BStBl I 97, 627; BFH 26.6.07, IV R 29/06, BStBl II 08, 103). In Fällen der vollständigen Gegenbuchung des gemeinen Werts des auf die Personengesellschaft übertragenen (eingebrachten) Wirtschaftsguts auf dem Kapitalkonto I liegt hingegen stets ein in vollem Umfang entgeltlicher Übertragungsvorgang vor. Dasselbe gilt für eine Gegenbuchung auf einem variablen Kapitalkonto (z.B. Kapitalkonto II), auf dem Kapitalkonto I und teilweise auf einem variablen Kapitalkonto oder teilweise auf dem Kapitalkonto I oder einem variablen Kapitalkonto und teilweise auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto der Personengesellschaft (BFH 24.1.08, IV R 37/06, BStBl II 11, 617; BFH 17.7.08, I R 77/06, BStBl II 09, 464).

Beachten Sie | Ein unentgeltlicher Vorgang ist somit bisher nur dann anzunehmen, wenn dem Einbringenden überhaupt keine Gesellschaftsrechte gewährt werden und demzufolge die Übertragung des Wirtschaftsguts ausschließlich auf einem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagenkonto gutgeschrieben wird oder als Ertrag gebucht wird (BMF 11.7.11, BStBl I 11, 713).

2.2 Fortführung einer Schwester-Personengesellschaft verhindert Betriebsaufgabe (Vollentnahme)

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob es der Erklärung einer Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 S. 1 EStG bedarf. Eine Betriebsaufgabe entfällt jedoch regelmäßig durch Fortführung eines wirtschaftlich identischen (Personen-)Unternehmens bei Vollentnahme sämtlicher (Einzel-)Wirtschaftsgüter. Aus der anzuzeigenden zivilrechtlichen Einstellung der Tätigkeit der übertragenden Personengesellschaft resultiert sodann deren Auflösung (Liquidation). Bleibt der bisherige Betriebsinhaber weiterhin gewerblich tätig, liegt regelmäßig keine Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe vor, wenn sich der alte und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den Verhältnissen des Einzelfalls als wirtschaftlich identisch darstellen und demgemäß eine Fortführung des bisherigen Unternehmens, eventuell unter Veränderung der innerbetrieblichen Struktur oder der Rechtsform anzunehmen ist (s. u. a. BFH. 19.4.66, I 221/63, BStBl III 66, 459; BFH 24.1.73, I R 156/71, BStBl II 73, S. 219, m. w. N.).

2.3 Auflösung stiller Reserven durch Wechsel der Gewinnermittlung verhindern

Im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 S. 1 EStG steht die Frage nach dem Wechsel der Gewinnermittlung gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 EStG i. V. m. §§ 4 Abs. 1, 5 EStG bei Vollentnahme sämtlicher (Einzel-)Wirtschaftsgüter aus dem übertragenden Gesamthandsvermögen. Zahnärzte führen nämlich regelmäßig eine Einnahmen-Überschussrechnung. Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn insoweit den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (§ 4 Abs. 3 S. 1 EStG). Eine erforderliche Einstellung der gewerblichen Tätigkeit der übertragenden Personengesellschaft löst bei einer Vollentnahme sämtlicher (Einzel-)Wirtschaftsgüter aus dem übertragenden Gesamthandsvermögen deren Auflösung (Liquidation) aus.

Beachten Sie | Mangels Betriebsaufgabe entfällt durch Fortführung eines wirtschaftlich identischen (Personen-) Unternehmens (beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaft) sodann auch ein Wechsel der Gewinnermittlung zur Bilanzierung. EStG. Hierdurch entfällt somit regelmäßig eine Auflösung stiller Reserven (Wechselgewinn), da die Gewinnermittlungsart nicht gewechselt wird.

3. Beabsichtigte Neuerungen durch das JStG 2024

Der Gesetzgeber wurde durch das BVerfG verpflichtet, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.00 unverzüglich eine Neuregelung zu treffen. Diese Vorgabe wird mit dem Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 (JStG-RegE 2024) durch Einführung einer ertragsteuerlichen Neuregelung in § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 EStG n.F. beabsichtigt. Demnach liegt eine Beteiligungsidentität an Mitunternehmerschaften zukünftig nicht vor, wenn unmittelbar oder mittelbar und zivilrechtlich oder nur wirtschaftlich eine natürliche Person oder eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nur an einer der beiden Mitunternehmerschaften beteiligt ist. Schädlich ist dabei auch eine Beteiligung als Treuhänder, selbst wenn dieser nicht selbst als Mitunternehmer anzusehen ist. Unschädlich sind allerdings Null-Prozent-Beteiligungen (z. B. einer Komplementär-GmbH).

Nach § 52 Abs. 12 S. 12 ff EStG n.F. soll die ertragsteuerliche Neuregelung des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 EStG n.F. in allen offenen Fällen anzuwenden sein. Zur Umsetzung der Vorgaben des BVerfG muss jedoch aufgrund des langen Rückwirkungszeitraums verfahrensrechtlich sichergestellt werden, dass der Buchwertansatz bei Übertragungen bis zum Tag der Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG (konkret: 12.1.24) nicht nur bei der übertragenden, sondern auch bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft möglich ist. Für Übertragungen vor dem 12.1.24 wird dabei zur Umsetzung des Buchwertansatzes bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft eine Änderung von Steuer- und Feststellungsbescheiden entsprechend § 174 Abs. 4 AO angeordnet (Rechtsfolgenverweis). Zudem wird bestimmt, dass § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO (Vertrauensschutz) dem Buchwertansatz bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft für Übertragungen vor dem 12.1.24 nicht entgegensteht.

Beachten Sie | Die Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheide der betroffenen Mitunternehmer werden somit nach der Änderung der jeweiligen Gewinnfeststellungsbescheide entsprechend gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m.§ 171 Abs. 10 S. 1 AO angepasst.

4. Konsequenzen für die Praxis

Eine aktuelle Entscheidung des BVerfG (28.11.23, 2 BvL 8/13, Beschluss) ermöglicht die unentgeltliche Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG. Somit profitieren auch Freiberufler wie z. B. Zahnärzte zukünftig von steuerneutralen Buchwertfortführungen zwischen Schwester-Personengesellschaften. Der Regierungsentwurf des JStG 2024 greift diese Aspekte bereits durch die beabsichtigte Implementierung einer ertragsteuerlichen Neuregelung in § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 EStG n.F. auf. Nach § 52 Abs. 12 S. 12 ff. EStG n. F. soll die ertragsteuerliche Neuregelung des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 EStG n. F. in allen offenen Fällen anzuwenden sein. Der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bleibt zu beobachten.

Praxistipp | In der Praxis stellen sich zur Umsetzung einer steuerneutralen Buchwertfortführung zwischen Schwester-Personengesellschaften regelmäßig konkrete Einzelfragen zur Umsetzung eines derart steuerneutralen Gestaltungsvorhabens.

  • Zunächst ist eine zivilrechtliche Vertragsabsprache zu schaffen.
  • Sodann ist auf die Unentgeltlichkeit der Entnahmehandlung der übertragenden Schwester-Personengesellschaft und der Einlagehandlung bei der übernehmenden Schwester-Personengesellschaft zu achten.
  • Durch die Fortführung eines gesonderten Unternehmens (Schwester-Personengesellschaften) wird regelmäßig bereits eine Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 S. 1 EStG bei Vollentnahme sämtlicher (Einzel-)Wirtschaftsgüter aus dem übertragenden Gesamthandsvermögen verhindert.
  • Hierdurch entfällt auch die Auflösung stiller Reserven (Wechselgewinn) mangels Wechsel der Gewinnermittlung bei einer Vollentnahme.

AUSGABE: PFB 9/2024, S. 247 · ID: 50075738

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte