Mandantenportale „Unsere Arbeitsergebnisse müssen für die Mandanten sichtbar und nutzbar sein“
| Steuerberaterin Ines Scholz hat in ihrer Zwickauer Kanzlei in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten viele technische Lösungen ausprobiert, sich zertifizieren lassen und alles komplett durchdigitalisiert. Am Ende stand die Erkenntnis, zwar alle modernen Kanzleitugenden vorweisen zu können – allerdings, ohne dass diejenigen, die es betrifft, groß Notiz davon genommen hätten. Das änderte sie durch eine eigene Mandantenplattform mit dem Fokus Controlling. |
Frage: Frau Scholz, warum ist die Kommunikation und Zusammenarbeit mit Mandantinnen und Mandanten im Jahr 2024 überhaupt noch ein Thema, über das man sprechen muss?
Antwort: Solange wir auf Papier gearbeitet haben, hatten wir wenigstens eine Chance, dass der Mandant unsere Arbeit zur Kenntnis nimmt – das war aber spätestens dann vorbei, als es darum ging, PDFs via verschlüsselter E-Mail auszutauschen. Die Mandanten haben anfangs noch ein- vielleicht zweimal angerufen, um nach dem Schlüssel zu fragen, das dann aber schon beinahe schuldbewusst gelassen. Da war klar: Die Ergebnisse unserer Arbeit guckt sich keiner mehr an. Und das kann nicht sein.
Frage: Die naheliegende Lösung war nun, auf eine Mandantenplattform zu setzen – aber auf dem Markt sind Sie da nicht fündig geworden?
Antwort: Nein, denn wir machen im Kern keine Kommunikations-, sondern eine Controllingplattform für den Mandanten. Ein kleines Beratungspaket, insbesondere zum Liquiditätscontrolling, hat bei uns ab einer Mandatsgröße von 1,5 Mio. EUR Jahresumsatz schon immer mit dazugehört – ganz einfach, weil ich davon überzeugt bin, dass ab dieser Größenordnung Management by Kontoauszug schlichtweg kaum noch möglich ist. Schwierig war an unserem Angebot, dass es im Grunde zu spät kam, denn eine monatliche Buchhaltung nützt einem nichts, wenn einen die tagesaktuelle Liquidität interessiert. Also haben wir 2018 begonnen, auf wöchentliche Buchhaltung umzustellen.
Frage: Wie haben Sie die Mandanten dazu bekommen, da mitzumachen?
Antwort: Das hat durchaus einiger Überzeugungsarbeit bedurft, das stimmt, aber heute ist das überhaupt kein Thema, ganz einfach, weil wir ja auch die entsprechenden Auswertungen liefern, und zwar nicht als PDF-Datei der BWA – das ist im Grunde das völlig falsche Format, sondern als digitale Plattform, die jeder so konfigurieren kann, dass er aktuell die drei Zahlen zuerst sieht, die ihn am meisten interessieren. Und das wollen Unternehmerinnen und Unternehmer ja: ihren Zustand genau kennen. Deshalb hat auch fast jeder einen Fitnesstracker am Handgelenk.
Frage: 10.000 Schritte entfernt von der idealen Eigenkapitalquote also?
Antwort: Wenn Sie so wollen, ist es genau das, denn Buchhaltung nützt eben noch viel mehr als nur das Finanzamt zufriedenzustellen. Aber dazu muss ich eben daran arbeiten, dass das Format meines Arbeitsergebnisses passt. Wir bieten Mandanten z. B. im Bereich der Kostenrechnung jederzeit die Top und Flop 5 des Monats an. Das interessiert: Womit habe ich mein Geld verdient? Wo habe ich welches liegen gelassen? Das gucken alle an, da können Sie sicher sein.
Frage: Was war Ihre Motivation, sicherlich nicht wenig Geld in die Hand zu nehmen, um nach vielen vorangegangen Digitalisierungsprojekten in die Eigenentwicklung zu investieren?
Antwort: Ich habe 2018 eine Pressemitteilung der Telekom gelesen, in der es darum ging, dass der Konzern 15 % seines Umsatzes in Digitalisierung investieren wollte. Da dachte ich, das muss ich auch tun. Jede Versicherung hat heute schließlich ein Portal, in dem ich alle meine Unterlagen einsehen und verwalten kann, das ist ganz normaler Service. Als Steuerberater verdienen wir gutes Geld. Ich bin davon überzeugt, dass wir unseren Kunden auch mit Service auf der Höhe der Zeit begegnen müssen. Aber es ist nicht nur das: Es ging auch darum, überhaupt unsere Arbeit zugänglich und sichtbar zu machen. Denn das, was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Tag für den Mandanten leisten, ist wertvoll und steckt voller Nutzen für ihn. Darum ging es: Mein Team und unsere Arbeitsergebnisse sichtbar und nutzbar zu machen.
Frage: Und das ist Ihnen gelungen – aber nicht ohne eine Wegstrecke und ein paar Voraussetzungen, oder?
Antwort: Wichtig ist, wirklich den Nutzen rüber zu bringen. Man muss mit den Mandanten eine regelrechte „Controlling-Tour“ machen und die zwei oder drei Sachen finden, die für ihn relevant und spannend sind, dann läuft das nachher von allein und die Frage, ob die Belege irgendwann beikommen, stellt sich nie wieder. Denn es geht überhaupt nicht darum – wie oft in Kanzleistrategieseminaren behauptet –, den Mandanten mit einem Herzen auf dem Cappuccino-Schaum zu begeistern oder dass die Mitarbeiter mit ihm nur über Haustiere sprechen, sondern darum zu vermitteln, wie unsere Basis-Dienstleistung die Unternehmensführung nach vorne bringt. Kein Schnickschnack, sondern ein fachliches Gespräch mit den Sachbearbeitern auf der Höhe derer Kompetenz – darum geht es und um nichts sonst.
Frage: Das klingt nicht nur nach einer besonderen Beziehung zu den Mandanten, sondern auch zu den Mitarbeitern …
Antwort: Ich muss ganz klar sagen, es passt dann nicht jeder zu uns, denn ein gewisses Maß an Commitment ist unerlässlich. Dabei spielen Service-Orientierung und Verbindlichkeit eine Rolle, aber auch Interesse an Mandanten und Kollegen. Denn das, was wir hier auf allen Ebenen praktizieren, ist vor allem ein Miteinander, ein Zusammenspiel, das wir schaffen. Erst das ergibt eine gute Kanzlei. Wer sich nur auf die Strategie und die Lösung des größten Anbieters verlässt, übersieht dabei, dass der Mandant dort als unser Kunde in der Lieferkette überhaupt nicht mehr vorkommt. Anders ausgedrückt, wenn der Hauptfokus darauf liegt, eine digitale Unterschrift auf den PDF-Jahresabschluss zu bekommen, läuft eine Menge am Kundenbedürfnis vorbei. Wir müssen es schaffen, dass unsere Mitarbeiter stolz auf ihre Arbeit sind, weil sie wissen, was sie für den Mandanten leisten.
Frage: Was bedeutet das in Bezug auf Automatisierung und die Verlagerung von Routinetätigkeiten hin zur technischen Lösung?
Antwort: Ich habe mich längere Zeit auch stark auf Weiterbildung und Spezialisierung fokussiert, viel hochqualifizierte Beratung selbst angeboten und durchgeführt. Dabei habe ich eine Zeit lang auch keine Auszubildenden mehr eingestellt, weil ich dachte, dass diese womöglich in der Zukunft nicht mehr in derselben Weise gefragt sind. Heute sehe ich das ganz anders: Wir werden gerade diese intelligenten Sachbearbeiter mit steuerlicher Kompetenz brauchen, ganz anders als die „digitalen Datenmanager“, die es ja in jeder Branche inzwischen gibt. Insofern sehe ich in der Digitalisierung zwar eine große Chance – Stichwort Fitnesstracker am Handgelenk – aber gerade in unserer Branche auch die Gefahr, dass Prozesse dadurch aufwendiger und umständlicher werden.
Ich denke, die Lernkurve, wo welche Maßnahmen sinnvoll sind, habe ich in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchlaufen, ganz einfach deshalb, weil ich alles ausprobiert und umgesetzt habe, was es gab: vom ersetzenden Scannen über die Zertifizierung und DATEV auf Anschlag. Allein genützt hat es nichts: Der Mandant hat davon wenig bis keine Notiz genommen und meine Leistung wurde keine andere. Das ist erst jetzt anders.
Frage: Wie würden Sie den Kern Ihrer Lösung beschreiben?
Antwort: Letztlich geht es darum, nicht nur auf einer Plattform Daten ins Schaufenster zu stellen, sondern den Steuerberater in die Lage zu versetzen, mit wenig Zeit dem Mandanten regelmäßig wichtige Impulse zu geben, die sich aus der Standarddienstleistung ableiten.
Zur Interviewpartnerin | Frau StB Ines Scholz ist Geschäftsführerin der Ines Scholz Steuerberatungsgesellschaft mbH in Zwickau (www.ines-scholz.de). Die Gesellschaft unterhält auch eine Niederlassung in Berlin. Frau Scholz ist Fachberaterin für Unternehmensnachfolge (DStV), Wirtschaftsmediatorin und Fachbuchautorin. Für ihre Kanzlei und ihre Mandanten hat sie den Business Tracker Cheftresor ® entwickelt (tour.cheftresor.de), eine Online-Lösung, die die Ergebnisse der Buchhaltung für den Mandanten übersichtlich und aktuell aufbereitet.
AUSGABE: KP 7/2024, S. 114 · ID: 49954738