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FachkräftemangelWissen Sie eigentlich, was Sie eine unbesetzte Stelle kostet?

Leseprobe19.04.2024509 Min. LesedauerVon Janos Diller, Senior Product Manager

| Eine Stelle nicht zu besetzen, kann die Kanzlei teuer zu stehen kommen. Die Kosten der nicht besetzten Stelle, die Vakanzkosten, sind aber nicht nur eine Zahl, sondern sie spiegeln die entgangenen Umsatzchancen und den erhöhten Druck auf die Belegschaft wider. Sie wirken sich auf verschiedene Aspekte des Kanzleibetriebs aus, von der Zeit für die Auftragserledigung über die Arbeitsmoral der Mitarbeitenden bis zur Kundenzufriedenheit. Ein umfassendes Verständnis hilft dem Kanzleiinhaber dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Kanzlei wettbewerbsfähig und belastbar bleibt. |

Fachkräftemangel und Vakanzzeiten

Die Steuerberatung gehört zu den Branchen mit der geringsten Arbeitslosen-Stellen-Relation:

KP-Grafik_Geringste Arbeitslosen-Stellen-Relation.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut

In etwa spiegelbildlich dazu verhält sich die Vakanzzeit. Sie bezieht sich auf die durchschnittliche Dauer, die eine Stelle unbesetzt bleibt, bevor sie erfolgreich besetzt wird. Eine längere Vakanzzeit deutet u. a. darauf hin, dass es schwieriger ist, qualifizierte Fachkräfte für bestimmte Berufe zu finden.

KP-Grafik_Abgeschlossene Vakanzzeit in Tagen.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut

Eine unbesetzte Stelle spart keine Kosten

Auf den ersten Blick erscheint die Vorstellung logisch, dass eine unbesetzte Stelle Geld spart, indem sie die Lohnkosten senkt. Diese Sichtweise ist jedoch allzu simpel und lässt die umfassenderen, oft erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen unbesetzter Stellen außer Acht. Tatsächlich führen unbesetzte Stellen auf die Dauer zu einer erhöhten Arbeitsbelastung der vorhandenen Mitarbeiter, zu Auftragsverzögerungen, zu entgangenen Umsatzchancen und mit der Zeit zu einem Rückgang der allgemeinen Unternehmensmoral und Produktivität. Diese indirekten Kosten übersteigen oft die direkten Einsparungen durch unbesetzte Stellen, sodass unbesetzte Stellen weitaus teurer sind, als sie erscheinen.

Eine Maßzahl dafür, was eine unbesetzte Stelle eine Kanzlei kostet, ist die Cost of Vacancy (CoV; Vakanzkosten). Sie stellt die finanziellen Verluste dar, die entstehen, wenn eine Position im Unternehmen vakant bleibt. Die Berechnung der Vakanzkosten basiert auf verschiedenen Faktoren wie dem Jahresgehalt der zu besetzenden Position, der Anzahl der Arbeitstage im Jahr und dem Faktor, der die Bedeutung der Stelle für das Unternehmen widerspiegelt, sowie der Dauer der Wiederbesetzung.

Cost of Vacancy (Vakanzkosten)

CoV = Jahresgehalt ÷ Arbeitstage × Faktor × Wiederbesetzungszeit

Zuerst wird das Jahresgehalt der offenen Stelle durch die durchschnittliche Anzahl an Arbeitstagen im Jahr geteilt, um den täglichen Wert zu erhalten. Dieser Wert wird dann mit einem Faktor multipliziert, der je nach Bedeutung der Stelle variiert (1 für Auszubildende/Aushilfen, 2 für Fachkräfte und 3 für Führungskräfte/Vertrieb/Projektmanagement). Schließlich wird das Ergebnis mit der durchschnittlichen Vakanzzeit in Tagen multipliziert, um den Gesamtwert der Vakanzkosten zu ermitteln.

Die Höhe der Vakanzkosten kann je nach Branche und Art der Position variieren. Zum Beispiel können in Branchen, in denen Mitarbeiter direkt Umsatz generieren, die Kosten einer unbesetzten Stelle besonders hoch sein, da abrechenbare Stunden verloren gehen und Aufträge abgelehnt werden müssen. Vergleichbares gilt für Bereiche mit spezifischem Fachwissen oder hoher Verantwortung, wie Führungskräfte oder Vertriebspositionen. Auch hier können die Vakanzkosten signifikant sein, da der Einfluss auf den Unternehmensumsatz groß ist. Die Berechnung der Vakanzkosten muss daher die individuellen Gegebenheiten und Anforderungen jeder Branche und Position berücksichtigen, um die finanziellen Auswirkungen einer unbesetzten Stelle präzise zu quantifizieren.

Natürlich darf das Konzept der Vakanzkosten nicht unhinterfragt hingenommen werden. Es ist schwierig, den negativen Einfluss einer offenen Stelle auf die Produktivität, das Engagement der Mitarbeiter und das Teamklima genau zu messen, und eine Herausforderung, monetäre Werte mit diesen Kennzahlen zu verknüpfen. Die Vakanzkosten sind vermutlich auch eher ein Proxy für den Umsatzverlust aufgrund einer vakanten Stelle und mögliche Folgekosten wie Produktivitätsverlust, Verzögerungen bei der Auftragsbearbeitung, sinkendes Mitarbeiterengagement und Burnout aufgrund erhöhter Arbeitsbelastung. Diese Punkte verdeutlichen aber eher die Komplexität der Quantifizierung aller nachteiligen Auswirkungen einer unbesetzten Position und richten sich weniger gegen das Konzept an sich.

„Qualitative Nebenkosten“ der Vakanzkosten

Wie schon angesprochen umfasst das Konzept der Vakanzkosten nicht nur den entgangenen Umsatz, sondern auch die Nebenwirkungen auf das Unternehmen. Neben den direkten Auswirkungen auf die Einnahmen verursachen unbesetzte Stellen auch zusätzliche Kosten für das Management und die übrigen Teammitglieder. Führungskräfte wenden unter Umständen viel Zeit und Ressourcen für Einstellungs- und Schulungsprozesse auf, was ihre Aufmerksamkeit von den anderen Aufgaben ablenkt. Die Teammitglieder sehen sich oft mit einer höheren Arbeitsbelastung konfrontiert, was zu Überstundenkosten, geringerer Arbeitszufriedenheit und einer höheren Fluktuationsrate führen kann. Diese Störung der Teamdynamik und potenzielle Qualitätseinbußen bei Produkten und Dienstleistungen erhöhen die Kosten von Vakanzen zusätzlich.

Berechnungsbeispiel aus der Steuerberatung

Ein Rechenbeispiel soll zeigen, wie man sich in einer Steuerberatungskanzlei dem Thema Vakanzkosten nähern kann. Im Grunde sind dafür nur wenige Zahlen nötig: das Jahresbruttogehalt für die zu besetzende Stelle, der Multiplikator für die Umsatzerwartung an den künftigen Stelleninhaber (Das Wievielfache seines Bruttogehalts soll der Mitarbeiter erwirtschaften?) und die Zeit, die es braucht, um die Stelle zu besetzen. Mit diesen Annahmen lässt sich der entgangene Umsatz in der Vakanzzeit berechnen. Wer mag, kann die ersparten Lohn- und Lohnnebenkosten dagegenrechnen oder man lässt sie als Proxy für die „qualitativen Nebenkosten“ der unbesetzten Stelle drin.

Vakanzkosten – Faustformel

Jahresgehalt brutto

35.000

EUR

× Multiplikator

3

Jahresumsatzerwartung an den Mitarbeiter

105.000

EUR/Jahr

Tagesumsatzerwartung an den Mitarbeiter

477

EUR/Tag

220 Arbeitstage im Jahr

entgangener Umsatz in Wiederbesetzungszeit

– 71.591

EUR/ges. Zeitraum

5 Monate Wiederbesetzungsdauer

entgangener Umsatz pro Monat der Nicht-Wiederbesetzung

–14.318

EUR

Bruttolohn

35.000

EUR/Jahr

Lohnnebenkosten (29 %)

10.150

EUR/Jahr

Summe

45.150

EUR/Jahr

205

EUR/Tag

ersparte Personalkosten in Wiederbesetzungszeit

30.784

EUR/ges. Zeitraum

5 Monate Wiederbesetzungsdauer

Saldo aus entgangenen Einnahmen und ersparten Personalkosten

40.807

EUR/ges. Zeitraum

5 Monate Wiederbesetzungsdauer

– 8.161

EUR/Monat

Bei Unternehmen mit direkt umsatzwirksamen Positionen können die Vakanzkosten auch auf der Grundlage des durchschnittlichen Umsatzes über alle Mitarbeiter eines Bereichs berechnet werden. Bei Funktionen, die nicht direkt mit dem Umsatz verbunden sind, die aber für die betriebliche Unterstützung wichtig sind, wie z. B. Verwaltungspositionen, kann sich die Berechnung dagegen eher auf die Auswirkungen auf die Produktivität und die zusätzliche Belastung anderer Teammitglieder konzentrieren.

FAZIT | Das Konzept der Vakanzkosten verdeutlicht die vielschichtigen Auswirkungen unbesetzter Stellen auf die finanzielle Gesundheit und die betriebliche Effizienz eines Unternehmens und befreit von dem Trugschluss, dass unbesetzte Stellen ja immerhin Kosteneinsparungen bedeuten. Vielmehr ist es wichtig, proaktive Rekrutierungs- und Bindungsstrategien zu entwickeln und in die Mitarbeiterentwicklung und Maßnahmen zur Steigerung der Zufriedenheit und des Engagements am Arbeitsplatz zu investieren. Letztlich ist das Verständnis und die effektive Bewältigung der Kosten unbesetzter Stellen ein wesentlicher Faktor für den langfristigen Erfolg und das Wachstum der Kanzlei.

AUSGABE: KP 5/2024, S. 86 · ID: 49949855

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