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Neue CompliancevorgabenAus dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ergeben sich wichtige Pflichten für KMU

Abo-Inhalt06.02.202475 Min. LesedauerVon RA Andreas Glotz, Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft für Geldwäscheprävention mbH (DGGWP mbH), Köln, und Tetiana Yurkiv, BA, Universität Charkiw, DGGWP mbH

| Seit dem 18.12.23 müssen auch KMU die Vorgaben des HinSchG umsetzen. Und auch wenn die grundsätzlichen Regelungen nicht neu sind und sich bereits in einer Vielzahl anderer Vorschriften, etwa zum Daten- und Arbeitsschutz oder im Geldwäschegesetz finden, lohnt sich ein Überblick über alle Details, um bei der Umsetzung auf der sicheren Seite zu sein. |

1. Rechts- und Schutzgüter des HinSchG

Unternehmen haben dafür Sorge zu tragen, dass

  • Hinweisgeber, die über straf- oder ordnungswidrigkeitenbewehrte Tatsachen berichten vor beruflichen Repressionen geschützt werden,
  • die unbedingte und strikt vertrauliche Behandlung des Hinweises gewährleistet wird,
  • ein Meldekanal zur Verfügung gestellt und betrieben wird und
  • eine Meldestelle eingerichtet sowie qualifiziert wird.

Gemeldet werden können nur Verstöße, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der hinweisgebenden Person stehen. Damit soll sichergestellt werden, dass Vorgänge aus dem privaten Umfeld nicht unter das HinSchG fallen, z. B. wenn der Chef betrunken vom Schützenfest nach Hause fährt und dabei drei Mülltonnen umstößt.

Beachten Sie | Im Gesetzgebungsverfahren wurde erst im Vermittlungsausschuss eingeführt, dass anonym eingehende Hinweise von den Unternehmen bearbeitet werden sollen, aber nicht müssen. Ob diese Regelung für die Unternehmen vorteilhaft ist, sei zunächst dahingestellt.

2. Welche Unternehmen sind betroffen?

Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten einschließlich der Beschäftigten in Teilzeit, Altersteilzeit, Elternzeit, Mutterschutz oder ähnlichen Arbeitsverhältnissen haben die Pflichten nach dem HinSchG umzusetzen. Unterfällt aber auch ein kleineres Unternehmen beispielsweise den Pflichten nach dem Geldwäschegesetz, sollte aufgrund der Vorschrift des § 6 Abs. 5 GwG ein Hinweisgeberschutzsystem eingerichtet sein. Darin liegt einer der Vorteile des HinSchG: Bestehende gesetzliche Verpflichtungen aus anderen Gesetzen lassen sich darin integrieren.

3. Externe vs. interne Meldestelle

Beim Bundesamt für Justiz in Bonn wurde die im Gesetz vorgesehene externe Meldestelle eingerichtet.

Hinsichtlich der Einrichtung einer internen Meldestelle haben Unternehmen die Wahl, ob sie diese outsourcen oder tatsächlich rein intern ansiedeln. Ob ein Outsourcing im Hinblick auf das Schutzgut der Vertraulichkeit sinnvoll ist, muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Die Vorteilhaftigkeit darf aber vor allem deshalb bezweifelt werden, weil die outgesourcte Meldestelle bei der meist notwendigen Aufklärung des gemeldeten Hinweises/Sachverhalts immer auf interne Mithilfe angewiesen sein dürfte.

Beispiel

Der eingehende Hinweis, dass ein Gebrauchtwagenverkäufer gemeinsame Sache mit einem Aufkäufer zulasten des Unternehmens macht, kann von einer outgesourcten Meldestelle kaum allein bearbeitet werden. Es bedarf verschiedener Nachfragen, Prüfungen der Geschäftsabläufe oder Befragungen.

Ein Hinweisgeber hat aber immer die Wahl, wo er seinen Hinweis abgeben möchte – intern oder extern. Hier kommen eine Reihe von vorwiegend psychologischen Überlegungen ins Spiel. Unterstellt man, dass ein angestellter Hinweisgeber einerseits dem Unternehmen keinen Schaden zufügen will, andererseits aber ernst genommen werden und einen Missstand abgestellt sehen möchte, so dürfte seine Neigung größer sein, sich an eine interne Meldestelle zu wenden. Die Befürchtung, andernfalls als „Nestbeschmutzer“ zu gelten, dürfte seine Neigung erhöhen, den Hinweis anonym abzugeben. Lehnt ein Unternehmen die Bearbeitung anonymer Hinweise aber ab, wird sich der Hinweisgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit an die externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz wenden. Dies ruft dann natürlich die Behörde auf den Plan.

Beachten Sie | Unabhängig davon, dass anonym eingehende Hinweise allgemein als wertiger gelten, dürften die meisten Unternehmen daher besser beraten sein, auch solche Hinweise zuzulassen. Dies hat dann aber wieder unmittelbare Auswirkungen auf den einzurichtenden Meldekanal.

4. Personelle und fachliche Aufstellung der Meldestelle

Der erforderliche Fachkundenachweis durch den Arbeitgeber lässt sich durch Lehrgänge leicht erbringen. Die Ausstattung der handelnden Personen mit entsprechenden internen Vollmachten dürfte ebenfalls keine Schwierigkeiten bereiten. In Zeiten knapper personeller Ressourcen dürfte es aber schwierig werden, geeignetes Personal zu finden, das die Meldestelle betreut und gleichzeitig keinen Interessenkonflikten ausgesetzt ist.

Beispiel

Es geht ein Hinweis ein, dass im Unternehmen die Geldwäschepräventionspflichten verletzt werden. Wäre ein Geldwäschebeauftragter gleichzeitig Meldestellenbeauftragter, besteht die latente Gefahr, dass die Bearbeitung eines solchen Hinweises unterdrückt wird.

Das größte Problem dürfte jedoch darin liegen, dass ein Meldestellenbeauftragter, etwa bei einer Verletzung der Vertraulichkeit, persönlich in Anspruch und Haftung genommen werden kann. Die Bereitschaft auch von qualifiziertem Personal, vor diesem Hintergrund die verantwortungsvolle Aufgabe des Meldestellenbeauftragten zu übernehmen, dürfte nicht sehr groß sein. Dies ist im Übrigen ein weiterer Umstand, der gegen das Outsourcing spricht. Dem wird man letztlich wohl nur mit einer arbeitsrechtlichen Freistellungs- und Regressverzichtserklärung begegnen können.

5. Der Meldekanal

Auch hinsichtlich des Meldekanals haben die Unternehmen eine Wahlfreiheit. Diese Freiheit kann aber durch die einfachen Kriterien Personalaufwand, Vertraulichkeitsschutz und Kosten eingeschränkt werden:

  • Briefkastenlösung: Ein Briefkasten ist sicherlich die billigste Lösung, aber nicht die Beste. Ein z. B. im Sozialraum aufgehängter Briefkasten mit einem Schild „Hinweisgebersystem“ kostet fast nichts. Der Meldekanal muss aber – beispielsweise durch eine tägliche Leerung – betrieben werden. Geht nun wochenlang kein Hinweis ein, wird auch keine tägliche Leerung/Kontrolle mehr stattfinden. Dann werden gesetzliche Fristen nicht eingehalten, die Kommunikation/Nachfrage beim Hinweisgeber wird erschwert und die Gefahr eines Vertraulichkeitsverstoßes ist sehr groß.
  • E-Mail-Adresse: Die Einrichtung einer E-Mail-Adresse wie beispielsweise „hinweisgeberschutz@xyzGmbH.de“ verursacht ebenfalls nur geringe Kosten. Eine E-Mail ist jedoch die „Postkarte des 21. Jahrhunderts“ und daher – gerade bei möglichen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen – hinsichtlich des Betriebs des E-Mail-Servers oder der Einbindung Dritter bei der Einrichtung der Adresse unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Vertraulichkeit höchst problematisch.
  • Telefonate und/oder persönliche Gespräche: Sie haben den großen Nachteil, dass es schwierig ist, den gesetzlich normierten Dokumentationspflichten Rechnung zu tragen.
  • Digitale Schutzsysteme: Sie verursachen zwar Kosten, sind dafür aber zeitgemäß und decken, bei richtiger Programmierung und Anwendung, die gesetzlichen Pflichten vollständig ab. Sie ermöglichen die anonymisierte Kommunikation mit dem Hinweisgeber, bei der allein der Anbieter die IP-Adresse kennt und diese nur mit Zustimmung oder bei richterlichen Durchsuchungsbeschlüssen herausgibt. Die Unternehmen haben keinerlei Pflegeaufwand, werden automatisch über eingehende Hinweise informiert, halten die gesetzlichen Fristen von der Eingangsbestätigung bis zur Mitteilung von Zwischenständen durch Erinnerungsfunktionen ein und gewährleisten die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentationspflicht. Darüber hinaus kann die Implementierung eines digitalen Systems auf der Homepage/Startseite des Unternehmens oder auch nur neben dem Impressum einen weiteren positiven Synergieeffekt erzeugen: Gibt ein unzufriedener Kunde den Hinweis „der Service ist unfreundlich“ im Hinweisgebersystem und nicht bei Google ab, fällt er nicht unter die Schutzgüter des HinSchG, kann leicht bearbeitet werden und ist vor allem nicht öffentlich.

6. Repressionsverbot

Ein Hinweisgeber ist, soweit sein Hinweis nicht vorsätzlich falsch ist, vor allen beruflichen Nachteilen sehr weitgehend zu schützen. Das HinSchG gewährt ihm insoweit einen sehr umfangreichen Schutz. Dieser Schutzgedanke wird aber zu einer Fülle von – vor allem arbeitsrechtlichen – Problemen führen.

Beispiel

Ein bereits mehrfach wegen Unpünktlichkeit abgemahnter Mitarbeiter gibt einen Hinweis zu einer sexuellen Belästigung im Unternehmen. Bei der Bearbeitung durch die Meldestelle stellt sich heraus, dass der Hinweis der Wahrheit entspricht. Nun kommt es zu einem weiteren Pünktlichkeitsverstoß, der die Kündigung des Hinweisgebers zur Folge hat. Eine Kündigungsschutzklage (auch) damit zu begründen, die Kündigung habe am Hinweis gelegen/es habe einen Vertraulichkeitsverstoß gegeben, liegt dann sehr nahe, zumal eine Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers erfolgt.

Weitere große Probleme dürften sich daraus ergeben, dass auch die Personen, über die ein Hinweis eingeht, zumindest aus datenschutzrechtlichen Gründen hinaus geschützt werden müssen. So darf dem Hinweisgeber, da gesetzlich keine Abschlussmeldung an ihn vorgesehen ist, nicht mitgeteilt werden, dass die Person, gegen die sich der Hinweis richtete, eine Abmahnung/Kündigung erhalten hat. Dies muss und wird zu wachsweichen und unpräzisen Mitteilungen an den Hinweisgeber führen, seine Frustration wird steigen und dann liegt es wieder nahe, sich an die externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz zu wenden.

Beachten Sie | Gerade hinsichtlich der Konsequenzen wirken die Vorschriften des HinSchG wenig durchdacht.

7. Sanktionen

Das Unterlassen der Einrichtung und/oder des Betriebs einer internen Meldestelle wird mit einem Bußgeld von bis zu 20.000 EUR belegt. Kommunikative Behinderungen, worunter auch Vertraulichkeitsverstöße fallen, und das Ergreifen einer Repressalie werden mit bis zu 50.000 EUR geahndet. Daneben können Sanktionen nach den jeweiligen spezialgesetzlichen Vorschriften verhängt werden.

Fazit | Es können naturgemäß noch keine konkreten Aussagen zur Praktikabilität, Umsetzung und den Konsequenzen des HinSchG getroffen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Regelungen insbesondere vor dem Hintergrund der grundsätzlich arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte einen erheblichen, zumindest ergänzenden Einfluss gewinnen werden. Die Neigung, bei drohendem Verfahrensverlust einen Verletzungstatbestand des HinSchG geltend zu machen, dürfte steigen. Umso wichtiger dürfte es für Unternehmen sein, bei der Einrichtung und dem Betrieb des Meldekanals technisch ein Höchstmaß an Nutzerfreundlichkeit für Hinweisgeber, Dokumentationssicherheit und Vertraulichkeit zu gewährleisten.

AUSGABE: BBP 2/2024, S. 43 · ID: 49856152

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