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Nordrhein-Westfalen geht voranInfluencer im Visier der Steuerfahndung
Eine jüngst veröffentlichte Pressemitteilung des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen (LBF NRW) hat in der Öffentlichkeit, insbesondere jedoch in der Influencer-Szene, für erhebliche Unruhe gesorgt. Unter dem Titel „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil“ kündigte das LBF an, ein umfangreiches Datenpaket auszuwerten, das rund 6.000 Datensätze mit einem geschätzten steuerstrafrechtlich relevanten Volumen von ca. 300 Mio. EUR umfasst. Im Fokus: professionelle Content-Creators aus Nordrhein-Westfalen, die mutmaßlich über längere Zeit hinweg systematisch ihre steuerlichen Pflichten missachtet haben. |
Einleitung
Die Aussagen der Behördenleitung sind bemerkenswert deutlich: Es gehe nicht um Überforderung oder Unwissenheit, sondern um steuerliche Umgehung in großem Stil – mit Vorsatz und krimineller Energie. Die Steuerfahndung betont ausdrücklich, dass nicht kleinere Influencer mit vereinzelten Produktplatzierungen, sondern wirtschaftlich bedeutsame Akteure mit relevanten Einkünften im Visier stehen. Dabei ist nicht nur die Höhe der Einnahmen von Belang – auch die gewählte Gestaltung, etwa durch Wohnsitzverlagerung ins Ausland, Offshore-Gestaltungen oder das Verschweigen von Plattformvergütungen, rückt in den Fokus der Ermittlungen.
Damit bestätigt sich wieder einmal: Die Mühlen der Finanzverwaltung mahlen langsam, aber gründlich. Manch ein Steuerberater hat sich in der Beratung von Influencern schon den Mund „fusselig geredet“, weil der Mandant garantiert einen Forumsbeitrag aus dem Internet kannte, der belegen sollte, dass die Konventionen des Steuerrechtes nicht für Influencer gelten.
Nordrhein-Westfalen hat sich mit der Einrichtung des LBF – das am 1.1.2025 als Zusammenschluss sämtlicher Steuerfahndungsstellen des Landes offiziell seine Arbeit aufgenommen hat – eine Vorreiterrolle in der Bekämpfung digitaler Steuerkriminalität erarbeitet.
Fahndung nach dem Vorbild Task Force Gebrauchtwagenhandel
Insbesondere setzt die Finanzverwaltung Software-Tools ein, die akribisch Werbe-Postings dokumentieren, auch wenn diese bereits nach wenigen Tagen durch den Influencer wieder gelöscht wurden. Vergleichbar einer Task Force der Finanzverwaltung zum Thema Gebrauchtwagenhandel auf Plattformen wie Autoscout24 und mobile.de, bei der über Jahre hinweg Onlineinserate von Fahrzeugen gesichert wurden, um zur Überprüfung der Vollständigkeit der Besteuerung die Inserate später mit den Steuererklärungen der betroffenen Händler abzugleichen, hat die Finanzverwaltung Daten der Influencer gesichert, die heute gar nicht mehr online zu finden sind.
Auch andere Bundesländer, wie etwa Hamburg, greifen mittlerweile auf ähnliche Ermittlungsansätze zurück. Die Folgen der medialen Aufmerksamkeit sind bereits spürbar: Zahlreiche Influencer, die bislang ihre steuerlichen Pflichten ignoriert oder unterschätzt haben, suchen nun steuerlichen Rat.
Selbstanzeige bleibt auch für Influencer der einzig sichere Weg zur Straffreiheit
In der Praxis ist aufzuklären, dass eine ordnungsgemäße Selbstanzeige nur dann strafbefreiend wirkt, wenn sie vollständig und rechtzeitig – also vor Tatentdeckung – erfolgt. Influencer, die bislang keine oder unvollständige Erklärungen abgegeben haben, können und sollten sich auf diesem Weg „reinen Tisch“ schaffen. Voraussetzung ist dabei jedoch die rückwirkende vollständige Offenlegung sämtlicher relevanter Einkünfte – typischerweise aus:
- Werbepartnerschaften und Affiliate-Links
- Abo-Modellen und Plattformvergütungen (z. B. YouTube, Twitch, TikTok)
- Produktverkäufen (auch über Drittplattformen)
- Spenden und Trinkgeldern (sog. „Donations“) oder exklusivem Content („pay per view“)
- NFT-, Krypto- oder virtuellen Gegenleistungen
Eine besondere Herausforderung ergibt sich häufig bei der Beschaffung der zur Selbstanzeige erforderlichen Unterlagen. Plattformen stellen häufig keine vollständigen Abrechnungen zur Verfügung, und Gutschriften erfolgen über ausländische Zahlungsdienstleister. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit Mandantinnen und Mandanten erforderlich, um Buchungsdaten, Kontoauszüge und Plattformberichte lückenlos zu rekonstruieren. Im Zweifel ist es ratsam, eher zu viel als zu wenig zu schätzen, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht zu gefährden.
Der Steuerberater muss in diesem Kontext auch auf die Risiken unvollständiger oder verspäteter Selbstanzeigen hinweisen: Liegt bereits eine Prüfungsanordnung, ein Anfangsverdacht oder eine konkrete Maßnahme der Strafverfolgungsbehörden vor, kann die strafbefreiende Wirkung bereits ausgeschlossen sein. Gerade im aktuellen Umfeld, in dem ein systematisches Auswerten großer Datenmengen erfolgt, ist dieses Risiko real.
Fazit | Die steuerliche Beratungspraxis ist gefordert, angesichts der neuen Zielrichtung der Finanzverwaltung insbesondere jüngere Mandantengruppen – etwa aus der digitalen Kreativwirtschaft – auf ihre steuerliche Erklärungspflicht hinzuweisen. Influencer, Streamer und andere Online-Akteure sind nicht nur wirtschaftlich relevant, sondern häufig steuerlich uninformiert oder nicht beraten. Gleichzeitig sind die Risiken erheblicher steuerlicher Nachzahlungen und strafrechtlicher Konsequenzen real. Eine strukturierte und präventive Beratung ist nicht nur für Mandanten, sondern auch aus haftungsrechtlicher Sicht für Beraterinnen und Berater unerlässlich. |
Beachten Sie | Zur Unterstützung der Beratungspraxis ist das nachfolgende Merkblatt für Influencer entwickelt worden. Es enthält praxisnahe Hinweise zur steuerlichen Erfassung von Einnahmen, zur Pflichterfüllung und zu den Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige.
Checkliste / Besteuerung von Influencern |
Influencer-Tätigkeiten über soziale Medien sind längst ein ernstzunehmendes Geschäftsmodell. Ob Produktempfehlungen, Werbung, Affiliate-Marketing oder Kooperationen, Abos oder Donations – aus steuerlicher Sicht handelt es sich dabei regelmäßig nicht mehr um ein reines Hobby. Die Durchsetzung von Steueransprüchen erfolgt in Deutschland nach klar definierten rechtlichen Schritten. Das Finanzamt ist gesetzlich verpflichtet, ausstehende Steuerforderungen konsequent einzutreiben – notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung. Diese Durchsetzung dient der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen und der Sicherung des Gemeinwohls. Welche Steuerarten sind relevant? Als Influencer können grundsätzlich folgende Steuerarten zur Anwendung kommen:
Welche dieser Steuern tatsächlich anfällt, hängt von Art und Umfang Ihrer Tätigkeit sowie Ihren Einkünften ab. |
Einkommensteuer Sobald Sie regelmäßig, selbstständig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig sind, erzielen Sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Dies ist typischerweise bei Influencer-Tätigkeiten der Fall – unabhängig davon, ob bereits hohe Einnahmen erzielt werden. Einkommensteuerpflicht besteht, wenn alle Ihre Einkünfte zusammen den Grundfreibetrag überschreiten. |
Beispiele für steuerpflichtige Einnahmen sind:
Beachten Sie | Auch kostenlos überlassene Produkte und Dienstleistungen stellen Einnahmen dar – sie sind mit dem Marktwert zu erfassen und zu versteuern. |
Pflichten bei Einkommensteuerpflicht
Gewerbesteuer Grundsätzlich unterliegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch der Gewerbesteuer (§ 2 GewStG). Freibetrag: Erst ab einem Gewinn > 24.500 EUR jährlich fällt tatsächlich Gewerbesteuer an. Die gezahlte Gewerbesteuer wird auf die Einkommensteuer angerechnet (§ 35 EStG), sodass oft keine zusätzliche steuerliche Belastung entsteht. Umsatzsteuer Als Influencer gelten Sie umsatzsteuerlich als Unternehmer (§ 2 UStG), wenn Sie selbstständig und nachhaltig Einnahmen erzielen. Eine Gewinnabsicht ist hierzu nicht erforderlich. Wenn Sie eine bestimmte Umsatzschwelle nicht überschreiten, brauchen Sie aber keine Umsatzsteuer abzuführen: |
Wahlrecht Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung ist möglich, dann können Sie Umsatzsteuerbeträge aus Eingangsrechnungen als Vorsteuer vom Finanzamt wieder bekommen, schulden aber Umsatzsteuer aus allen Ihren Einnahmen – diese Entscheidung bindet Sie für fünf Jahre. Wenn die Umsatzgrenzen als Kleinunternehmer überschritten werden, gilt: |
Sachzuwendungen (Gratisprodukte, Reisen etc.) Diese Leistungen sind regelmäßig als Einnahmen steuerpflichtig:
Bewertung: Mit dem objektiven Marktpreis zum Zeitpunkt des Zuflusses. Ausnahmen: Rückgabe der Ware, Geringwertigkeit oder Übernahme der Versteuerung durch das Unternehmen (z. B. über Pauschalierung § 37b EStG). Empfehlung: Dokumentieren Sie sämtliche erhaltenen Sachleistungen (Art, Wert, Zeitpunkt, Rückgabe ja/nein) |
Was ist jetzt zu tun? Falls Sie regelmäßig auf Social Media tätig sind und Einnahmen erzielen:
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Beratung empfohlen Diese Information ersetzt keine persönliche Beratung. Gerade bei Sachzuwendungen, Fragen zur Umsatzsteuer oder zur Gewinnermittlung empfiehlt sich die Hinzuziehung eines Steuerberaters. Was passiert bei Verstößen? Die Finanzverwaltung überprüft zunehmend auch Social-Media-Aktivitäten. Bei nicht erklärten Steuererklärungen drohen:
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Steuerfahndung und Selbstanzeige – was tun bei Versäumnissen? Die Finanzverwaltungen in Nordrhein-Westfalen und Hamburg haben gezielt damit begonnen, die steuerliche Erfassung von Influencern zu überprüfen – auch unter Einschaltung der Steuerfahndung. Grundlage sind oft öffentlich zugängliche Inhalte (z. B. Instagram-Posts, Kooperationen, YouTube-Werbung), durch die auf relevante Einkünfte oder Sachzuwendungen geschlossen werden kann. Ziel ist die Aufdeckung nicht deklarierter Einkünfte, insbesondere aus früheren Jahren. Dabei kann es auch um vergleichsweise kleine Beträge gehen – ausschlaggebend ist die unterlassene Anzeige steuerpflichtiger Vorgänge. |
Selbstanzeige – letzte Chance zur Straffreiheit (§ 371 AO) Wenn Einkünfte aus Influencer-Tätigkeiten in der Vergangenheit nicht erklärt wurden, besteht die Möglichkeit, durch eine sog. Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen – aber nur solange die Tat noch nicht entdeckt ist. Voraussetzungen der wirksamen Selbstanzeige sind:
Beachten Sie | Eine nur teilweise oder fehlerhafte Selbstanzeige entfaltet keine strafbefreiende Wirkung und kann selbst strafbar sein. |
Was tun, wenn Unsicherheit besteht? Typischer Ausgangspunkt: „Ich bin seit einigen Jahren als Influencer aktiv, habe kleinere Einnahmen erzielt (z. B. Werbegeschenke, Zahlungen), aber keine Steuererklärung abgegeben und nun Sorge vor einer Steuerprüfung.“ Empfohlene Schritte:
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Je früher gehandelt wird, desto besser. Wer aktiv auf das Finanzamt zugeht, bevor eine Prüfung beginnt, hat die besten Chancen auf eine saubere Lösung ohne strafrechtliche Folgen. Fazit | Influencer, die in der Vergangenheit steuerlich nicht korrekt gehandelt haben – sei es aus Unkenntnis oder Fehleinschätzung –, sollten die Situation ernst nehmen, aber besonnen und rechtzeitig handeln. Eine wirksame Selbstanzeige kann – wenn richtig vorbereitet – sowohl strafrechtliche Konsequenzen als auch Reputationsschäden vermeiden.
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