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DigitalisierungKI im Autohaus: Diese rechtlichen Risiken sind zu beachten
| Kosten senken und gleichzeitig innovative Prozesse und kreative Kundenerlebnisse bieten, um die Wettbewerber zu übertrumpfen. So lauten oftmals die Erwartungen an die Künstliche Intelligenz (KI). Doch welche Arten von KI gibt es überhaupt? Wo kommen sie zum Einsatz? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten? Und wo stehen Autohäuser und Kfz-Werkstätten aktuell? Diesen Fragen geht ASR in der fünfteiligen Serie „Künst-liche Intelligenz im Autohaus“ auf den Grund. Im zweiten Teil dreht sich alles um die rechtlichen Risiken, die es für Unternehmen abzuwägen gilt. |
Rechtliche Risiken beim Einsatz von KI
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnet Unternehmen im Automobilhandel eine Vielzahl von Chancen, um ihre Prozesse zu optimieren und ihre Produktivität zu erhöhen. Autohäuser können KI-Systeme von der Lead-Qualifizierung bis hin zur Bewerberauswahl in nahezu jedem erdenklichen Betätigungsfeld einsetzen. Allerdings bergen die Automatisierung von Geschäftsmodellen und die Entscheidungsfindung mittels KI neben den unbegrenzt scheinenden Möglichkeiten gerade auch rechtliche Risiken für die Autohäuser.
Wichtig | Der Nutzen, den KI aufweisen kann, sowie die Risiken, die der Einsatz unregulierter oder unkontrollierter KI mit sich bringt, sind längst in der Politik und Gesetzgebung angekommen, z. B. in der Digitalstrategie der Europäischen Union (EU). Neben einem für 2026 geplanten internationalen KI-Abkommen prägt der Artificial Intelligence Act (in Deutschland: KI-Verordnung) auf EU-Ebene den Rechtsrahmen für die Digitalstrategie in Autohäusern.
Transparenzpflichten für KI-Systeme aufgrund KI-Verordnung
Diese KI-Verordnung sieht Transparenzpflichten für einige KI-Systeme vor, bspw. bei Chatbots, die Autohäuser erfüllen müssen. Gestaffelt nach dem Risiko der jeweiligen KI für Individual- oder Gemeinrechtsgüter bestehen der KI-Verordnung zufolge weitere strenge Anforderungen an die KI, das Risikomanagement, die Daten-Governance (einschl. des Trainings), Überwachung, Cyber-Security sowie Transparenz. Man unterscheidet vier Risikogruppen:
1. Verbotene KI-Anwendungen
In der EU verbotene KI-Anwendungen sind solche,
- die manipulative Techniken verwenden,
- die Schwachstellen von Personen ausnutzen,
- die eine Bewertung aufgrund von persönlichen Eigenschaften vornehmen sowie
- die Gesichts- und Emotionserkennung am Arbeitsplatz nutzen.
2. Hochrisiko-KI
Die sog. Hochrisiko-KI bezieht sich bspw. auf
- Bewerberauswahl und psychologische Testverfahren,
- Kreditwürdigkeitsprüfungen und Ratings sowie
- die Steuerung kritischer Infrastrukturen.
3. Begrenztes Risiko
Eine KI mit begrenztem Risiko liegt vor
- bei der synthetischen Erzeugung von Audio-, Video-, Bild- oder Textinhalten sowie
- der direkten Interaktion mit natürlichen Personen.
4. Kein Risiko
KI-Systeme, die sich außerhalb der genannten Risikoklassen bewegen, unterliegen keiner gesonderten Beschränkung aus dem AI Act und können frei genutzt werden.
Wichtig | Auch Autohäuser, die KI lediglich nutzen, unterliegen besonderen Pflichten zur Überwachung und Information über Vorfälle.
Neben der KI-Verordnung hat die EU-Kommission außerdem die AI Liability Directive (Richtlinie über KI-Haftung) vorgeschlagen, die Kompensationen für von KI verursachte Schadensfälle vorsieht und eine möglichst schadensvermeidende KI fördern soll. Bspw. kann ein Schaden, welcher statt eines Serviceberaters durch einen KI-gesteuerten Diagnoseroboter während des Direktannahmeprozesses entsteht, in der Rechtsfolge eines Schadenersatzes anders bewertet werden, wenn die KI fehlerbehaftet war.
Diese Rechtsfragen gilt es im Autohaus zu klären
Aus all dem ergeben sich rund um die KI Rechtsfragen, die jedes Autohaus für sich klären muss.
Checkliste / Klärungsbedürftige Rechtsfragen zur KI | |
Welche rechtlichen Vorschriften sind auf KI derzeit und in Zukunft anwendbar? | ❒ |
Wer haftet für Fehler der KI und durch KI verursachte Schäden? | ❒ |
Auf welche Weise lässt sich Diskriminierung durch KI vermeiden? Und müssen automatisiert getroffene Entscheidungen menschlich überprüft werden? | ❒ |
Was ist bei einem Einsatz von KI zu Zwecken des algorithmischen Managements zu beachten? Soll eine KI direkt Weisungen für Mitarbeiter kreieren können? | ❒ |
Welche arbeitsrechtlichen Aspekte sind bei der Verwendung von KI im Unternehmen zu berücksichtigen? | ❒ |
Besteht eine rechtliche Verpflichtung, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten sowie ggf. andere Personenkreise auf den Einsatz von KI hinzuweisen? | ❒ |
Was ist hinsichtlich des Datenbestands, mit dem die KI trainiert wird, zu beachten? | ❒ |
Welche Anforderungen sind an Cybersicherheit und Datenschutz sowie beim maschinellen Lernen an die Qualität von Daten, mit der eine KI trainiert wird, zu stellen? Welche Anforderungen stellt der Datenschutz an die Verarbeitung personenbezogener Daten über KI-Systeme? | ❒ |
Auf welche Weise wirkt sich der Einsatz von KI auf gewerbliche Schutzrechte aus? Wer ist der Erfinder oder urheberrechtliche Schöpfer einer mittels KI erschaffenen Innovation? Wie sind Prompts rechtlich zu beurteilen? (Zur Erklärung: Beim Einsatz von Bildern, Texten und vor allem Videos bspw. auf der Homepage, die durch KI generiert wurden, sollte darauf geachtet werden, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Das kann bspw. der Fall sein, wenn Avatare von konkreten Mitarbeitern ohne deren explizites Einverständnis Verwendung finden.) | ❒ |
Mit welchen Maßnahmen kann der Schutz von Geschäftsgeheimnissen bei der Nutzung von KI-Systemen sichergestellt werden? Wie kann verhindert werden, dass KI-Systeme, die in der Public Cloud agieren, aus Fragestellungen, die Geschäftsgeheimnisse enthalten, Antworten für andere User (Dritte) entwickeln? | ❒ |
Welche Begrenzungen oder Verpflichtungen bestehen aus den Händler- und/oder Serviceverträgen hinsichtlich KI-Einsatz? | ❒ |
KI und Einschränkungen durch die DSGVO
Die DSGVO setzt dem Einsatz von KI Grenzen.
Mitarbeiter haben nach DSGVO Auskunftsrecht
Grundsätzlich hat nach DSGVO jeder Mitarbeiter und jeder Bewerber ein Auskunftsrecht, inwiefern und in welcher Art im Bewerber-Auswahlprozess bzw. bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe KI zum Einsatz kommt und welche, ggf. auch personenbezogenen Daten in welcher Form, wie lange und für welchen Zweck gespeichert werden. Der Datenschutzbeauftragte des Autohauses sollte vor Einsatz personenbezogener KI-Anwendungen also eng eingebunden werden.
„Algorithmisches Management“ und Beschränkungen durch DSGVO
Der Automobilhandel nimmt das Thema Automatisierung von Prozessen in den Blick. Mit einem „algorithmischem Management“ will man die Personaleinsatzplanung sowie die Koordination und Kontrolle von Mitarbeiteraktivitäten steuern. Damit ändern sich betriebliche Strukturen.
Aber: Art. 22 Abs. 1 DSGVO beschränkt den Einsatz von KI im Autohaus. Entscheidungen, die gegenüber einer Person rechtliche Wirkung entfalten oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigen, dürfen nicht ausschließlich auf einer automatisierten Datenverarbeitung beruhen. Das Verbot beruht auf dem Gedanken, dass Maschinen nicht über Menschen entscheiden sollen, um das Individuum vor der „Versachlichung“ in Form einer bloßen Datensammlung zu schützen. Entscheidend ist, ob durch die KI-Entscheidung eine unmittelbare rechtliche Wirkung für den Arbeitnehmer entsteht.
Davon zu unterscheiden ist das in § 106 GewO verankerte Weisungsrecht: Aufgrund seines Weisungsrechts kann das Autohaus als Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Leistungspflicht des Mitarbeiters nach Inhalt, Ort und Zeit bestimmen. Eine solche Weisung ist eine Konkretisierung der Arbeitspflicht, ohne dass sich die Rechtsposition des Arbeitnehmers verändert. Greift die KI also in dieses Weisungsrecht ein, ist das von § 106 GewO gedeckt.
Beispiel |
In dem Fall greift das in § 106 GewO verankerte Weisungsrecht Ein KI-System weist den Fahrern bei der Ersatzteilbelieferung von Kunden einen bestimmten Tourenplan zu. Dieser beruht lediglich auf einzelnen personenbezogenen Daten wie dem Standort, und nicht darauf, dass sie die aufgrund ihrer in einem Persönlichkeitsprofil ermittelten Fähigkeiten besonders effizient erledigen können. Lösung: In diesem Fall ist beim Fahrer keine Letztentscheidung notwendig. Die KI erteilt somit nur eine Weisung nach § 106 GewO. Das ist auch vor dem Hintergrund des Art. 22 Abs. 1 DSGVO zulässig. |
Verwendet das Autohaus personenbezogene Daten zur automatisierten Entscheidungsfindung i. S. v. Art. 22 DSGVO, verpflichten Art. 13 Abs. 2 Buchst. f und Art. 15 Abs. 1 Buchst. h DSGVO zu aussagekräftigen Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person (den Mitarbeiter).
Wichtig | Die Einführung eines KI-Systems, das ein algorithmisches Management ermöglicht, unterliegt der Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). D. h.: Sollte das Autohaus einen Betriebsrat haben – was sehr selten sein dürfte –, steht diesem ein Mitbestimmungsrecht zu bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Darüber hinaus können Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei der Planung des Einsatzes von KI (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG), das Recht zur Hinzuziehung eines Sachverständigen bei Einführung und Anwendung von KI (§ 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG) sowie das Zustimmungsbedürfnis bei KI-generierten Auswahlrichtlinien (ggf. § 95 Abs. 2a BetrVG) bestehen.
Handlungsempfehlungen für KI-Einführung
Autohäuser sollten vor der Einführung von KI Folgendes prüfen:
KI kann dabei helfen, die Effizienz im Autohaus zu steigern Fazit | KI kann Autohäusern dabei helfen, täglich anfallende Auswahl- und Abwägungsprozesse zu automatisieren und die Effizienz ihrer Prozesse zu steigern. Mit den Potenzialen des KI-Einsatzes sind neue Herausforderungen für die Autohäuser verbunden. Umso wichtiger ist es, die rechtlichen Rahmenbedingungen von vornherein abzustecken. Nur dann kann der Einsatz von KI dauerhaft gelingen. |
- KI erst in abgegrenzten Themengebieten einführen und testen (z. B. Generierung von Marketing- oder Homepage-Inhalten mit textgenerativer KI)
- Alle Mitarbeiter frühzeitig informieren und einbinden
- Professionelle juristische Begleitung
- Anbieter mit Branchenerfahrung auswählen
- Datenqualität und Datenschutz ist zentral
AUSGABE: ASR 2/2025, S. 21 · ID: 50278393