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UmsatzsteuerEU-Verkauf: Vorsicht bei einem Verkauf nach vorhergehendem Einkauf im EU-Ausland

Abo-Inhalt21.01.20252217 Min. LesedauerVon Diplom-Finanzwirt Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund

| Ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft erfordert zwingend, dass in der Rechnung des Zwischenerwerbers auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers hingewiesen wird. Abrechnungsfehler sind rückwirkend nicht heilbar. So lautet die neue Rechtsprechung von EuGH und BFH. Die Urteile ergingen zum Nachteil von Kfz-Händlern. Sie sind höchst praxisrelevant. Betroffen sind vor allem Ersatzteil- und Fahrzeug-Verkäufe, die für Kfz-Händler in Grenzregionen zum Tagesgeschäft gehören. ASR zeigt, wie Sie als Kfz-Händler sich vor Nachteilen schützen können. |

Wann für deutsche Kfz-Händler die Rechtsprechung wichtig ist

Nach der neuen Rechtsprechung ist für ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft zwingend erforderlich, dass in der Rechnung des Zwischenerwerbers auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers hingewiesen wird (EuGH, Urteil vom 08.12.2022, Rs. C-247/21, Abruf-Nr. 232926, Luxury Trust Automobil) und BFH (Urteil vom 17.07.2024, Az. XI R 35/22 (XI R 14/20), Abruf-Nr. 243859).

Sie als Kfz-Händler müssen die neue Rechtsprechung beachten,

Beispiel 1

Ein niederländisches Unternehmen (NL) bestellt einen Sportwagen bei einem deutschen Kfz-Händler (D). D kauft das Fahrzeug direkt beim italienischen Hersteller (I). I trägt die Transportverantwortung für die Auslieferung an den Endkunden in Amsterdam und rechnet gegenüber D netto ab, liefert das Fahrzeug also steuerfrei innergemeinschaftlich. Alle Beteiligten verwenden gegenüber den Geschäftspartnern die von ihren Ländern erteilten USt-IdNr.

Grafik ASR.eps (© IWW Institut)
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  • wenn Sie ein Fahrzeug in das EU-Ausland verkaufen,
  • das Sie vorab in einem anderen EU-Mitgliedstaat von einem Vorlieferanten einkaufen und
  • das von Ihrem Lieferanten direkt zum Kunden transportiert wird oder
  • Sie das Fahrzeug selbst direkt zu Ihrem Kunden transportieren – und zwar in Ihrer Eigenschaft als „Abnehmer“ Ihres Vorlieferanten (vgl. Abschn. 25b.1 Abs. 5 UStAE).

Beurteilung nach allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte

Ohne die Sonderregelung des § 25b UStG wäre der Beispielsfall so zu lösen:

  • I tätigt in Italien eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an D (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6 a UStG).
  • D tätigt in den Niederlanden einen innergemeinschaftlichen Erwerb von I (§ 3d S. 1 UStG).
  • D tätigt zusätzlich in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb von I, da er für den Einkauf die deutsche USt-IdNr. verwandt hat (§ 3d S. 2 UStG).
  • D tätigt in den Niederlanden eine „normale“ (Inlands-)Lieferung an NL. Die Lieferung ist steuerbar und steuerpflichtig. D hat gegenüber NL damit eine Rechnung unter Ausweis der niederländischen Umsatzsteuer aufzumachen.

D müsste sich – sähe § 25b UStG keine Ausnahmeregelung vor – aufgrund des innergemeinschaftlichen Erwerbs von I und seiner eigenen Lieferung an NL in den Niederlanden umsatzsteuerlich registrieren lassen. Dies wiederum würde für D einen erhöhten administrativen Aufwand auslösen durch

  • Umstellung der Buchführung,
  • Einrichtung der EDV,
  • Bestellung eines Steuerberaters,
  • Bestellung eines Fiskalvertreters etc.,

der bereits bei der Kalkulation eines Auftrags und damit von den (in der Regel mit steuerlichen Fragen wenig befassten) Ein- und Verkaufsabteilungen berücksichtigt werden muss. Erfahrungsgemäß beläuft sich dieser Mehraufwand auf 10.000 bis 12.000 Euro (pro zusätzliche Registrierung).

Vereinfachung in Deutschland nach § 25b UStG

Liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor, wird die Steuerschuld für die (Inlands-)Lieferung unter den Voraussetzungen des § 25b Abs. 2 UStG vom ersten Abnehmer (D) auf den letzten Abnehmer (NL) übertragen. Im Fall der Übertragung der Steuerschuld gilt zugleich auch der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Abnehmers als besteuert (§ 25b Abs. 3 UStG). Die Vereinfachung des § 25b UStG besteht nun darin, dass die eigentlich erforderliche steuerliche Registrierung des D als mittleren Unternehmers im Bestimmungsland NL entfällt.

Wichtig | Die Annahme, § 25b UStG regle das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft abschließend, geht weit über die tatsächliche Bedeutung der Vorschrift hinaus. Insbesondere bestimmen sich die Liefer- und Erwerbsorte ausschließlich nach allgemeinen Vorschriften der §§ 3, 3d UStG.

Vereinfachung in anderen EU-Mitgliedstaaten

§ 25b UStG gilt ausschließlich für Umsätze, die in Deutschland bewirkt werden. Im Beispielsfall geht es aber um die Umsätze des D in den Niederlanden. Maßgebend ist also insoweit das niederländische Umsatzsteuerrecht.

Der deutsche § 25b UStG setzt aber lediglich EU-Vorgaben durch Art. 141 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) in deutsches Recht um. Das Umsatzsteuerrecht aller anderen EU-Mitgliedstaaten und auch der Niederlande tut dies ebenfalls. Aus § 25b UStG ergeben sich daher entsprechend auch die Rechtsfolgen in den Niederlanden.

Besonderheiten bei der Rechnungserteilung

Nach § 25b Abs. 2 Nr. 3 UStG ist materielle Voraussetzung für die Übertragung der Steuerschuld, dass der erste Abnehmer dem letzten jeweils am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmer eine Rechnung im Sinne des § 14a Abs. 7 UStG erteilt, in der die Steuer nicht gesondert ausgewiesen ist (Abschn. 25b.1 Abs. 8 S. 1 UStAE).

Wichtig | Im Beispielsfall muss also D zur Vermeidung der Registrierung dem NL eine entsprechende Rechnung erteilen.

Neben den bekannten Rechnungspflichtangaben (§ 14 Abs. 4 UStG) sind in der Rechnung des ersten Abnehmers danach folgende zusätzliche Angaben nötig:

  • Ein Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts, z. B. „Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nach § 25b UStG“ oder „Vereinfachungsregelung nach Art. 141 MwStSystRL“,
  • ein Hinweis auf die Steuerschuld des letzten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmers,
  • die Angabe der USt-IdNr. des ersten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmers und
  • die Angabe der USt-IdNr. des letzten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmers.

Wichtig | Der letzte am Dreiecksgeschäft beteiligte Abnehmer soll durch die Hinweise in der Rechnung eindeutig und leicht erkennen können, dass er letzter Abnehmer in einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft ist und die Steuerschuld auf ihn übertragen wird (Abschn. 25b.1 Abs. 8 S. 3 UStAE).

Strenge Anforderungen der Gerichte an die Rechnung

EuGH und BFH vertreten in den beiden Urteilen eine zumindest in Teilen sicher unerwartet strenge Rechtsauffassung. Die Gerichte messen der Rechnungsangabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ materielle Bedeutung bei. Ein diesbezüglicher Fehler ist nicht rückwirkend heilbar.

Praxistipp | Nach der MwStSystRL muss die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ enthalten. Der Zwischenerwerber kann diese Angabe nicht durch einen anderen Hinweis ersetzen.

Der Sinn und Zweck der nach Art. 226 der MwStSystRL obligatorischen Rechnungsangaben besteht in Folgendem:

  • Der Rechnungsadressat ist über die rechtliche Bewertung des Umsatzes des Rechnungsausstellers zu informieren.
  • Dieser Zweck greift umso mehr, wenn der Rechnungsaussteller der Ansicht ist, dass ausnahmsweise nicht er, sondern der Empfänger der Lieferung die Mehrwertsteuer schuldet.

Die nach der Richtlinie erforderliche Formalität ermöglicht es sicherzustellen, dass der Endempfänger einer Lieferung seine steuerlichen Pflichten kennt. Denn für die Regelung des Übergangs der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ist es gerade kennzeichnend, dass zwischen dem Lieferer und dem steuerpflichtigen Empfänger einer Lieferung keine Mehrwertsteuerzahlung erfolgt, weil Letzterer diese Steuer für diese Lieferung zu entrichten hat. Daher kann insoweit keine Unsicherheit bestehen.

Wichtig | Der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts ist daher nicht wirksam als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt worden, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ enthält.

Weglassen der Angabe kann nicht später berichtigt werden

Das Weglassen der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ auf einer Rechnung kann durch Ergänzung eines Hinweises darauf, dass diese Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht, nicht im Nachhinein berichtigt werden.

Der EuGH stellt ausdrücklich klar: Er habe zwar anerkannt, dass das Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, dass der Vorsteuerabzug oder die Erstattung der Vorsteuer gewährt wird, auch wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die materiellen Anforderungen im Übrigen erfüllt wurden.

Wichtig | Folglich kann von einer Berichtigung der Rechnung nicht die Rede sein, wenn eine Voraussetzung für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung wie die erforderliche Rechnungspflichtangabe fehlt. Der Grund: Das nachträgliche Erfüllen einer Tatbestandsvoraussetzung, die für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendig ist, stellt keine Korrektur dar. Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann.

Die Vorschriften welches Mitgliedstaats sind anzuwenden?

Dem vorlegenden Gericht stellte sich die Frage, ob die Vorschriften über die Rechnungsstellung des Mitgliedstaats des Zwischenerwerbers oder jene des Mitgliedstaats des Enderwerbers anzuwenden sind. Denn die Steuerpflichtige machte im Rahmen des Ausgangsverfahrens geltend, dass das Umsatzsteuerrecht des Bestimmungslands anzuwenden sei. Danach sei es nicht erforderlich, dass die Rechnungen einen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld enthielten. Diese Frage hat der EuGH nicht beantwortet.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich jedoch, dass die Antwort auf diese Frage keine Auswirkung auf den Ausgang des Ausgangsrechtsstreits haben kann. Denn auf den streitgegenständlichen Rechnungen fehlt die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“.

Folglich ist die Bestimmung des Enderwerbers zum Schuldner der Mehrwertsteuer nicht wirksam erfolgt. Der Zwischenerwerber ist daher in dem Mitgliedstaat als Schuldner dieser Steuer anzusehen, der ihm die Identifikationsnummer erteilt hat, die er für den fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerb verwendet hat.

Die in der MwStSystRL genannten Anforderungen können jedenfalls nicht von einem Mitgliedstaat zum anderen variieren. Das vorlegende Gericht hat das auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare Recht, sei es das Recht des Mitgliedstaats des Zwischenerwerbers oder das Recht des Mitgliedstaats des Enderwerbers, in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht auszulegen.

Entsprechende Anwendung auf den Ersatzteilhandel

Das EuGH-Urteil fokussiert den Kfz-Handel. Die neuen Grundsätze gelten aber – wie das BFH-Urteil zeigt – für den Handel mit allen beweglichen Wirtschaftsgütern und damit insbesondere auch für Ersatzteile.

Beispiel 2

Wie Beispiel 1. NL bestellt aber bei D einen Austauschmotor, den D seinerseits bei I einkauft.

Fazit | Das Einhalten einer Rechnungspflichtangabe ist jetzt materielle Voraussetzung für eine Steuervergünstigung – damit beschreiten EuGH und BFH einen neuen Weg. Autohäusern ist daher unbedingt anzuraten, die Vorgaben im Zweifel genauestens einzuhalten – gilt es doch, im Einzelfall ca. 10.000–12.000 Euro einzusparen.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „EuGH: Kein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft ohne ordnungsgemäße Rechnung“, ASR 2/2023, Seite 11 → Abruf-Nr. 48961759
  • In einer der nächsten Ausgabe von ASR erfahren Sie in Fortsetzung unserer Reihe „Handel über die Grenzen“ an einem Praxisfall, wie Ihre Rechnung bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft im Detail aussehen muss und wie Sie die Lieferung bzw. den Umsatz richtig buchen und der Finanzverwaltung melden.

AUSGABE: ASR 2/2025, S. 12 · ID: 50282721

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