FeedbackAbschluss-Umfrage

WirtschaftlichkeitsprüfungSpezialisierung auf „Füllungsleistungen“ keine Praxisbesonderheit: Honorarkürzung rechtens!

Abo-Inhalt06.12.2023693 Min. LesedauerVon RA, FA für MedR und Zahnarzt Dr. Stefan Droste, LL. M., Kanzlei am Ärztehaus, Münster

| Die zahnärztliche Spezialisierung auf „Füllungsleistungen“ ist keine Praxisbesonderheit. Es handelt sich bei diesem Teilbereich der Zahnmedizin um das typische Leistungsspektrum einer Zahnarztpraxis. Ein Zahnarzt scheiterte mit seiner Klage gegen eine Honorarkürzung nach Wirtschaftlichkeitsprüfung (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 17.05.2023, Az. L 5 KA 856/20). |

Honorar um ca. 60.000 Euro gekürzt, Zahnarzt klagt erfolglos

Ein Zahnarzt klagte gegen eine Honorarkürzung im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Für die Quartale 02/2012 und 03/2012 war eine Honorarrückforderung i. H. v. 59.017,29 Euro ergangen. Gestützt wurde diese im Wesentlichen auf statistische Überschreitungen bei Füllungsleistungen (BEMA-Nrn. 13a, 13b, 13c). Die Überschreitung bei einzelnen Füllungsleistungen lag bei mehr als 500 Prozent über dem Durchschnitt.

Der Zahnarzt wandte sich gegen die „100-Fall-Statistik“ und verteidigte sich im Verwaltungsverfahren zunächst mit einer rein statistischen Argumentation, ohne konkrete Behandlungsfälle samt Röntgenbildern vorzulegen. Er führte an, dass er seit Jahrzehnten auf den Tätigkeitsschwerpunkt „Zahnerhaltung und Prophylaxe“ spezialisiert sei und daher bei ihm eine Praxisbesonderheit „Füllungsleistungen“ anzuerkennen sei. In diesem Zusammenhang müsse berücksichtigt werden, dass seine Praxis überdurchschnittlich viele Neupatienten habe. Etliche Patienten kämen nur wegen seines Schwerpunkts zur Füllungstherapie in seine Praxis und gingen im Anschluss hieran wieder zu ihrem Hauszahnarzt. Schlussendlich müssten auch kompensatorische Einsparungen anerkannt werden, so erbringe er im Vergleich zum Durchschnitt erheblich weniger Leistungen im Bereich des Zahnersatzes sowie der Endodontie.

Die vom Zahnarzt vorgetragenen Einwendungen griffen nicht durch. Sowohl das Sozialgericht Stuttgart als auch das LSG wiesen die Klage ab.

So begründeten die Richter ihre Entscheidung

Zunächst gaben die Richter zu bedenken, dass im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrensrecht der Amtsermittlungsgrundsatz gelte. Sind Praxisbesonderheiten erkennbar oder kommt das Vorliegen von Praxisbesonderheiten ernsthaft in Betracht, müssen die Prüfgremien von Amts wegen entsprechende Ermittlungen durchführen. Dieser Amtsermittlungspflicht der Behörden steht aber die Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten gegenüber. In der vertragszahnarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände, wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen, dem Vertragszahnarzt. Diese Darlegungslast geht über die allgemeinen Mitwirkungspflichten hinaus. Der Vertragszahnarzt ist hierbei gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren – also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss – und nicht erst im Gerichtsverfahren geltend zu machen. Der Senat sah in der vorgetragenen Spezialisierung des Klägers im Bereich der Füllungsleistungen keine Praxisbesonderheit. Es handele sich bei diesem Teilbereich der Zahnheilkunde um das typische Leistungsspektrum einer zahnärztlichen Praxis, so das Gericht.

Ferner führten die Richter aus, dass der Zahnarzt in der Annahme fehlgeleitet sei, allein anhand statistischer Argumente eine abweichende Patientenklientel belegen zu können, ohne die Daten anhand von Behandlungsunterlagen zu untermauern. Der Kläger habe sowohl im Verfahren vor der Prüfungsstelle als auch beim Beschwerdeausschuss bewusst auf die Vorlage von medizinischen Unterlagen zu einzelnen Behandlungsfällen verzichtet. Die stattdessen vorgelegten tabellarischen Auflistungen von Behandlungsfällen ohne Beifügung der Befundunterlagen und Röntgenbilder genügten nicht. Zahnschemata einzelner Patienten wurden erstmals in der gerichtlichen Verhandlung vorgelegt und damit als verspätet zurückgewiesen.

Eine überdurchschnittliche Anzahl an neuen Patienten könne zwar grundsätzlich eine Praxisbesonderheit darstellen. Im vorliegenden Fall sei die Definition des Klägers von Neupatienten allerdings fehlerhaft. Er definiert einen Patienten als Neupatienten, wenn dieser die Praxis erstmals wegen einer Füllungsleistung aufsucht und die Füllung gelegt wird. Neue Patienten seien aber nur solche, die eine Praxis erstmals aufsuchten, so der Senat. Außerdem seien beim Zahnarzt keine übermäßig abgerechneten Leistungen nach BEMA-Nr. 01 festzustellen.

Ferner seien auch kompensatorische Einsparungen nicht belegt. Dabei kann ein Mehraufwand in einem Bereich im Hinblick auf anderweitige Einsparungen nur dann hingenommen werden, wenn belegt bzw. nachgewiesen ist, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt werden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich ist. Allein ein geringerer Umfang von Zahnersatzleistungen und endodontischen Leistungen konnte nach Überzeugung des Senats nicht als kompensatorische Einsparung gewertet werden. Der Vortrag des Klägers ist insoweit auch deshalb nicht schlüssig, weil viele seiner Patienten nach seinem Vortrag nur für Füllungen seine Praxis aufsuchen und danach wieder in andere Praxen zurückkehren. Der Kläger habe also bei diesen Patienten gar nicht die Gelegenheit andere Leistungen einzusparen, so die Richter.

Fazit | Wieder einmal bleibt das Vorgehen eines Zahnarztes im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolglos. Die „gerichtlichen Hürden“ sind hoch. Die Lektüre des Urteils zeigt, wie wichtig es ist, das Verfahren richtig zu führen und zu begleiten. So sind zahnmedizinische Umstände zur Begründung von Praxisbesonderheiten und zur Darlegung besonders schwerer zahnmedizinischer Einzelfälle bereits im Verwaltungsverfahren vorzubringen, eine erstmalige Vorlage zahnmedizinischer Unterlagen vor Gericht kann als verspätet zurückgewiesen werden. Nicht zu beanstanden ist die Ablehnung einer Praxisbesonderheit von „Füllungsleistungen“. Die Zahnerhaltung, zu der das Legen von Füllungen gehört, ist Kernbereich der zahnärztlichen Tätigkeit.

AUSGABE: AAZ 1/2024, S. 3 · ID: 49765412

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte