Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
    1. Startseite
    2. PIStB Praxis Internationale Steuerberatung
    3. Umsetzung des EU-Green-Deals durch nationale Plastiksteuer ab 2025

NachhaltigkeitUmsetzung des EU-Green-Deals durch nationale Plastiksteuer ab 2025

Abo-Inhalt10.07.20236289 Min. LesedauerVon RA/FAStR/LL. M. Dr. Dario Arconada Valbuena und Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, beide Hannovervon RA/FAStR/LL. M. Dr. Dario Arconada Valbuena und Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, beide Hannover

| Plastikabfälle sind ein globales Umweltproblem, wobei gerade die Weltmeere nebst Beeinträchtigung der Meeresvielfalt leidtragend sind. Auch eine Verseuchung der menschlichen Nahrungskette durch Mikropartikel-Aufnahme ist höchst problematisch. Der nationale Gesetzgeber beabsichtigt daher in Umsetzung des sog. „EU-Green-Deals“ eine kurzfristige Implementierung einer nationalen Plastiksteuer für Verpackungshersteller & Co. Welche Implikationen sich hierbei für Hersteller von Einwegkunststoffprodukten ergeben, ist anhand ausgewählter gesetzgeberischer Einzelaspekte nachfolgend kritisch zu betrachten. |

1. Plastikabfälle als globales Umweltproblem

10 bis 20 Jahre: So lange benötigt eine Einkaufstüte im Meer, bis sie sich komplett zersetzt hat. Noch drastischer sieht es mit der PET-Flasche aus. Es benötigt rund 450 Jahre, bis Plastikflaschen im Wasser zersetzt sind und in Form von Mikroplastik auf den Meeresgrund sinken. Der Umgang mit Abfällen gehört zu den wichtigsten Umweltthemen weltweit – und der nur schwer bis gar nicht abbaubare Plastikmüll nimmt dabei eine immer zentralere Rolle ein. Im Jahr 2021 wurden weltweit circa 391 Mio. Tonnen Kunststoff produziert – rund 21 Mio. Tonnen Plastik davon in Deutschland. Der Export von Kunststoff in Deutschland lag im Jahr 2020 bei etwa 13 Mio. Tonnen, während gleichzeitig über 9 Mio. Tonnen importiert wurden. Die hohe Produktion von Kunststoffen bringt jedoch auch eine Menge an Kunststoffabfällen in Europa mit sich. Im Jahr 2020 fielen bereits über 29 Mio. Tonnen Kunststoffabfälle an. In den EU-Ländern entstehen jährlich im Durchschnitt rund 34 Kilogramm Verpackungsabfall aus Plastik pro Einwohner. Deutschland liegt mit knapp 40 Kilogramm pro Kopf deutlich über dem Durchschnitt. Der größte Anteil an Kunststoffabfällen findet sich in Verkaufsverpackungen wieder.

Wird Plastikmüll nicht ordnungsgemäß entsorgt oder wiederverwertet, gelangt dieser häufig durch Flüsse und andere Gewässer in die Weltmeere. Insbesondere Flüsse in Afrika und Asien haben eine hohe Dichte an Kunststoffmüll. Jährlich verenden daher zahlreiche Meerestiere durch die Auswirkungen von Plastikabfällen in den Ozeanen. Ein hoher Anteil an schlecht entsorgtem Plastik trägt dazu bei, dass die Menge des Plastikmülls in den Weltmeeren immer weiter zunimmt. Es wird prognostiziert, dass China im Jahr 2025 rund 18 Mio. Tonnen Plastik (pro Jahr) nicht umweltgerecht entsorgt (vgl. Pressemeldung Statista v. 17.4.23 zum Plastikmüll).

Aktuelle statistische Auswertungen belegen den Anstieg der Plastikverpackungsabfälle in ausgewählten EU-Ländern im kurzfristigen Zeitverlauf. Den statistischen Auswertungen lag hierbei ein Verbrauch in Kilogramm pro Einwohner zugrunde.

PIStB_Umsetzung des sog EU-Green-Deels_Grafik.eps (© IWW Institut)
Bild vergrößern
© IWW Institut

2. Umsetzung des „EU-Green-Deals“ durch die nationale Plastiksteuer

2.1 Das neue Einwegkunststofffondsgesetz nach dem Regierungsentwurf

Auf der Grundlage ihres Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft und ihrer Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft hat die Europäische Union die Richtlinie (EU) 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (EU-Einwegkunststoffrichtlinie, vgl. ABl. L 155 v. 12.6.19, 1) erlassen. Sie ist am 3.7.19 in Kraft getreten und sieht zahlreiche Maßnahmen vor, um den Verbrauch von bestimmten Einwegkunststoffprodukten zu reduzieren, das achtlose Wegwerfen von Abfällen in die Umwelt zu begrenzen und die Ressource „Kunststoff“ besser zu bewirtschaften. Entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie wurden somit verschiedene gesetzliche und nicht gesetzliche Maßnahmen in Deutschland bereits implementiert.

Das neue Gesetz über den Einwegkunststofffonds (sog. Einwegkunststofffondsgesetz – kurz EWKFondsG; BGBl I 23, Nr. 124 vom 15.5.23) ist der letzte Baustein zur Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie gegen Einwegprodukte und die hierdurch entstehende Vermüllung von Städten, Landschaften und Gewässern. Das Gesetz setzt Art. 8 Abs. 1 bis 7 und Art. 14 der genannten Richtlinie (EU) 2019/904 um, wonach die Mitgliedstaaten für bestimmte Einwegkunststoffprodukte, für die es derzeit keine leicht verfügbaren geeigneten und nachhaltigeren Alternativen gibt, entsprechend dem Verursacherprinzip-Regime der erweiterten Herstellerverantwortung einzustehen haben. Das Gesetz ist am 15.5.23 in Kraft getreten, wobei die Pflicht der Hersteller von Kunststoff enthaltenden Produkten zur Registrierung und zur Leistung der Abgabe später greifen wird (dazu unter 2.3).

Die Hersteller dieser Einwegkunststoffprodukte sollen die notwendigen Kosten für Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung, der Reinigung des öffentlichen Raums sowie von Sensibilisierungsmaßnahmen decken. Das Gesetz schafft die rechtlichen Grundlagen zur Erhebung einer sog. Einwegkunststoffabgabe als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion durch das Umweltbundesamt.

Das Gesetz ist relevant für alle Hersteller (bzw. Erstinverkehrbringer) von Einwegkunststoffprodukten, wie sie in Anlage 1 des EWKFondsG genannt werden. Als Erstinverkehrbringer gilt, wer die genannten Einwegkunststoffprodukte gewerbsmäßig auf dem Markt bereitstellt bzw. – bei Vertrieb aus dem Ausland – unmittelbar an private Haushalte oder andere Nutzer verkauft.

Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, kann das Umweltbundesamt auf Antrag oder nach eigenem Ermessen verbindlich feststellen, ob bestimmte Produkte als Einwegkunststoffprodukte gelten und wer als Hersteller einzustufen ist. Zusätzlich wird eine Einwegkunststoffkommission gebildet, bestehend aus Vertretern der Hersteller, Anspruchsberechtigten, privater Entsorgungswirtschaft sowie Umwelt- und Verbraucherverbänden. Diese Kommission unterstützt und berät letztlich bei der Festlegung der Abgabesätze, Auszahlungskriterien und anderen relevanten Entscheidungen.

Beachten Sie | Bis Anfang 2024 haben Unternehmen zu klären, inwieweit sie der vom Umweltbundesamt verwalteten Abgabe unterliegen, um gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Erfüllung der künftigen Meldepflichten zu schaffen.

2.2 Einrichtung und Verwaltung des sog. Einwegkunststofffonds

Nach den Bestimmungen der EU-Einwegkunststoffrichtlinie zahlen die Hersteller die Einwegkunststoffabgabe in den sog. Einwegkunststofffonds ein, der vom Umweltbundesamt verwaltet wird. Der Fonds wird im Bundeshaushalt abgebildet. Aus dem Einwegkunststofffonds erhalten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und die sonstigen anspruchsberechtigten juristischen Personen des öffentlichen Rechts Ersatz für die Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Beseitigung und Verringerung bestimmter Einwegkunststoffprodukte entstehen. Die Abgabesätze und die Auszahlungskriterien werden nach gesetzlich festgelegten Maßstäben durch Rechtsverordnung bestimmt. Auf diese Weise wird den Herstellern gemäß den §§ 23 ff. des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) die Produktverantwortung auferlegt.

2.3 Pflicht der Hersteller zur Registrierung und jährlichen Meldung

Die Hersteller von Einwegkunststoffprodukten müssen sich elektronisch beim Umweltbundesamt registrieren, um erfasst zu werden. Das Umweltbundesamt bestätigt die Registrierung und stellt eine Registrierungsbestätigung aus, die als Verwaltungsakt gilt. Bei der Registrierung können bereits vorhandene Daten, die bei der zentralen Stelle vorliegen, genutzt werden. Um die Einwegkunststoffabgabe zu berechnen, müssen die registrierten Hersteller jährlich über ein Onlineportal die Art und Menge, der von ihnen erstmals auf dem Markt bereitgestellten oder verkauften Einwegkunststoffprodukte melden. Die Meldung der Hersteller hat jährlich bis zum 15.5. an das Umweltbundesamt zu erfolgen. Inhalt der Meldung ist die vom jeweiligen Hersteller im vorangegangenen Kalenderjahr erstmals in Deutschland in Verkehr gebrachte Masse an Einwegkunststoffprodukten. Wenn der Hersteller im Ausland niedergelassen ist, ist er verpflichtet, einen Bevollmächtigten zu benennen.

Die Registrierungspflicht wird ab 2024 gelten, die Pflicht zur Leistung der Abgabe ein Jahr darauf (für Hersteller von Feuerwerkskörpern wird diese Pflicht jeweils zwei Jahre später greifen). Nicht registrierte Hersteller dürfen Einwegkunststoffprodukte nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr erstmals auf dem Markt bereitstellen oder verkaufen. Auch die anspruchsberechtigten Entsorgungsträger und juristischen Personen des öffentlichen Rechts müssen sich registrieren und jährlich die erstattungsfähigen Leistungen melden.

2.4 Festsetzung und Einziehung der Einwegkunststoffabgabe als Plastiksteuer

Das Umweltbundesamt ermittelt auch die Höhe der Einwegkunststoffabgabe, basierend auf den von einem Hersteller gemeldeten Einwegkunststoffprodukten und dem entsprechenden Abgabesatz. Diese Abgabe wird als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion betrachtet. Das Umweltbundesamt legt die Einwegkunststoffabgabe durch einen Verwaltungsakt fest und zieht sie zum fälligen Zeitpunkt ein. Der Abgabesatz wird durch eine Rechtsverordnung festgelegt und regelmäßig überprüft.

Die Höhe der Sonderabgabe bedingt sich durch die Art der Verpackungen und wird regelmäßig überprüft. Das Umweltbundesamt verwendet ein Punktesystem, um die Auszahlungsanteile aus den eingenommenen Sonderabgaben und den gemeldeten Leistungen zu ermitteln. Die Auszahlung der Fondsmittel erfolgt ebenfalls durch Verwaltungsakt.

3. Plastiksteuer in anderen EU-Mitgliedstaaten

Durch den Umstand, dass eine flächendeckende Harmonisierung in der EU zur Einführung einer jeweiligen Plastiksteuer nicht geplant ist, sind EU-weite Besonderheiten zu beachten. Gerade international agierende Unternehmensgruppen werden daher starke bürokratische Hürden nehmen müssen, um letztlich eine globale Umwelt-Compliance erfüllen zu können. Hierbei sollen in der EU vereinzelt eingeführte Plastiksteuern eine haushälterische Refinanzierung durch die Privatwirtschaft gewährleisten.

Ein Risiko einer nicht harmonisierten EU-Landschaft kann letztlich ein Verpackungsherstellertourismus in Staaten ohne Plastiksteuer und damit eine Kostenersparnis für Verpackungshersteller sein. Beispielsweise scheint Frankreich eine Beteiligung von Verpackungsherstellern & Co. an der EU-Plastikabgabe durch eine französische Plastiksteuer bisher auszuschließen. Auch Luxemburg scheint die EU-Plastikabgabe haushälterisch finanzieren zu wollen und eine Weiterbelastung an die Privatwirtschaft bisher auszuschließen. Derartige Umstände können standorttechnische Veränderungen von Verpackungsherstellern & Co. durch wirtschaftliche Anreize in der EU verstärken.

Einige europäische Staaten haben bereits die Einführung einer Plastiksteuer beschlossen, u. a.:

Fazit | Das neue Gesetz zur Umsetzung des sog. „EU-Green-Deals“ durch die nationale Plastiksteuer – sog. EWKFondsG – beinhaltet die vorrangige Einführung eines sog. Einwegkunststofffonds nebst Sonderabgabe. Insgesamt zielt das Gesetz darauf ab, die Verantwortung der Hersteller für Einwegkunststoffprodukte zu stärken, eine gerechte Finanzierung durch die Sonderabgabe zu gewährleisten und eine effektive Entsorgung und Nutzung der Fondsmittel sicherzustellen. Marktteilnehmer, die betroffen sind oder zumindest nicht ausschließen können, betroffen zu sein, sollten sich umgehend mit dem EWKFondsG befassen. In Lieferketten ist damit beispielsweise die Frage verbunden, wer (noch) Vorprodukte herstellt oder handelt und wer Einwegkunststoffprodukte in den Verkehr bringt. Ggf. ist bereits ab 1.1.24 eine Registrierung im Zentralregister des Umweltbundesamtes anzustoßen und Einordnungsfragen im Antragswege vorab zu klären. Da eine EU-weite Harmonisierung der Plastiksteuer nicht geplant ist, besteht daneben die Herausforderung, den Überblick über die aktuellen Entwicklungen und die damit verknüpften administrativen Pflichten in den einzelnen Mitgliedstaaten zu behalten. Ein Risiko einer nicht harmonisierten EU-Landschaft kann letztlich ein Verpackungsherstellertourismus in Staaten ohne Plastiksteuer und damit eine Kostenersparnis für Verpackungshersteller sein.

  • In Großbritannien (Nicht-EU) trat die Plastiksteuer (UK Plastic Packaging Tax) am 1.4.22 in Kraft. Seitdem müssen deutsche Unternehmen, die mehr als 10 Tonnen Kunststoffverpackungen entweder über einen Zeitraum von 12 Monaten oder in den nächsten 30 Tagen in das Vereinigte Königreich importieren, mit der britischen Kunststoffverpackungssteuer von 200 GBP pro Tonne (bzw. 210.82 GBP pro Tonne seit dem 1.4.23) rechnen.
  • In Spanien ist zum 1.1.23 eine Plastiksteuer in Kraft getreten. Demnach werden Einwegkunststoffverpackungen mit 0,45 Euro/Kilogramm besteuert. Steuerpflichtig sind sowohl Hersteller als auch Importeure, sofern sie mehr als 5 kg Einwegkunststoffprodukte pro Monat herstellen bzw. nach Spanien einführen.
  • Auch Italien hatte die Einführung bereits abgesegnet. Nachdem die Umsetzung ursprünglich zum 1.1.23 geplant war, wurde die Einführung der Plastiksteuer erneut verschoben. Nun soll die Steuer für Einwegprodukte voraussichtlich zum 1.1.24 kommen. Steuerschuldner ist hier grundsätzlich der Kunststoffhersteller. Werden jedoch Einwegverpackungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach Italien eingeführt, kann auch den ausländischen Importeur die Steuerschuld treffen.

AUSGABE: PIStB 8/2023, S. 228 · ID: 49523139

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2023
Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Praxiswissen auf den Punkt gebracht

Bildrechte