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AußensteuerrechtKeine Wegzugsbesteuerung bei tatsächlicher Rückkehr unabhängig von der Rückkehrabsicht

Abo-Inhalt29.06.20235193 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

| Eine „nur vorübergehende Abwesenheit“ führt zum Entfallen der Wegzugsbesteuerung. Der BFH hat nun entschieden, dass dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitrahmens von fünf (aktuell: sieben) Jahren nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Dies gilt unabhängig von einer Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs (BFH 21.12.22, I R 55/19, DStR 23, 818; entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, BMF 14.5.04, IV B 4 - S 1340 - 11/04 BStBl I 04, 3, Tz. 6.4.1, 6.4.2). |

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige A war 2014 nach Dubai in die Vereinigten Arabischen Emirate gezogen und hatte seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben. Bis zum 31.12.15 unterhielt A weder einen inländischen Wohnsitz (§ 8 AO) noch hatte er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 9 AO). Zum Zeitpunkt seines Wegzugs hielt A Beteiligungen an mehreren im Inland ansässigen Kapitalgesellschaften. Zwei Jahre nach dem Wegzug begründete A ab 2016 wieder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Das FA veranlagte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des A für das Wegzugsjahr Veräußerungsgewinne gemäß § 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG. Hiergegen wandte sich der A mit dem Argument, dass infolge seiner Rückkehr nach Deutschland die Besteuerung rückwirkend wieder entfallen müsse. Das FA folgte dem nicht mit der Begründung, dass A nicht bereits bei seinem Wegzug seinen Willen zur Rückkehr bekundet habe. Vor dem FG Münster (31.10.19, 1 K 3448/17 E) blieb die Klage des A noch erfolglos. Die Revision vor dem BFH war allerdings erfolgreich.

Anmerkungen

Nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Dies war hier der Fall.

Nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG a. F. ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, auf Anteile i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht § 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen der Regelung erfüllt sind.

Im Streitfall hat der BFH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und eine nur vorübergehende Abwesenheit des A angenommen, die eine Wegzugsbesteuerung ausschließt. Dies begründet der BFH im Wesentlichen wie folgt:

  • Die Berücksichtigung von Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG) im Rahmen der Wegzugsbesteuerung ist in diesem Fall rechtsfehlerhaft: Es liegt nur eine „vorübergehende Abwesenheit“ des A vor, die „nachträglich“ schon im Rahmen der Steuerfestsetzung des Streitjahres den Besteuerungstatbestand ausschließt (sog. Rückkehrerregelung; § 6 Abs. 3 S. 1 AStG).
  • Der BFH begründet dies u. a. mit dem Wortlaut in § 6 Abs. 3 S. 1 AStG. Dieser sehe eine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs nicht zwingend vor, sodass sich diese auch erst im Laufe des Rückkehrzeitraums bilden könne. Der Gesetzestext führt erst in der Sondersituation des § 6 Abs. 3 S. 2 AStG a. F. (§ 6 Abs. 3 S. 3 AStG n. F.) für den Fall, dass das Finanzamt eine Verlängerung des Rückkehrzeitraums zulasse, eine solche (Rückkehr-)Absicht ausdrücklich an, dann verbunden mit der Notwendigkeit einer Glaubhaftmachung. Nach BFH-Ansicht ist hierbei der Rückschluss, dass eine solche Absicht schon im Augenblick des Wegzugs (und damit auch für die Fälle des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG) bestehen muss, nach Auslegung nicht geboten oder gar zwingend.
  • Der Rückkehrwille nach § 6 Abs. 3 S. 1 AStG kann somit laut BFH durchaus im Laufe des gesetzlichen Rückkehrzeitraums gebildet worden sein. Der Umstand der tatsächlichen (zeitgerechten) Rückkehr indiziert für den BFH vielmehr eine ursprünglich bestehende Rückkehrabsicht.
  • Es besteht nach Ansicht des BFH auch kein Widerspruch zur Entstehungsgeschichte der Regelung. Das FG Münster habe zutreffend dargelegt, dass bereits in § 6 Abs. 4 AStG in der Gesetzesfassung vom 8.9.72 (BGBl 72 I, 1713, BStBl 72 I, 450) von der „vorübergehenden Abwesenheit“ gesprochen wurde.

Relevanz für die Praxis

Das Urteil des BFH beinhaltet eine erfreuliche Klarstellung zum Verständnis der Rückkehrerregelung in § 6 Abs. 3 S. 1 AStG. Ein Rückkehrwille kann danach auch erst im Fünfjahreszeitraum der Auslandsabwesenheit gebildet werden. Einer zusätzlichen, durch Glaubhaftmachung zu versichernden subjektiven Rückkehrabsicht bedarf es hierbei nicht. Das BFH-Urteil ist zwar zu § 6 Abs. 3 AStG a. F. ergangen, ha aber auch für die aktuelle Rechtslage Bedeutung. Denn auch nach der Neufassung von § 6 Abs. 3 S. 1 AStG durch das ATADUmsG wird nach dem Wortlaut unverändert für die Begünstigung eine nur vorübergehende Abwesenheit vorausgesetzt. Es gilt auch nach der erstmals für den Veranlagungszeitraum 2022 anzuwendenden Neufassung des § 6 AStG (vgl. § 21 Abs. 1 AStG n. F.), dass zumindest bei einer tatsächlichen Rückkehr innerhalb der erweiterten Siebenjahresfrist das Tatbestandsmerkmal der „nur vorübergehenden Abwesenheit“ erfüllt ist. Nach der Gesetzesbegründung kommt es auf „eine Glaubhaftmachung der Rückkehrabsicht [...] nicht mehr an. Die bloße Absicht zur Rückkehr und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügen“ (s. BT-Drucks. 19/28652, 49).

Weiterführende Hinweise
  • Zur Verschärfung der Wegzugsbesteuerung nach dem ATADUmsG s. Happe/Boelsen, PIStB 22, 176 und 207
  • Zur Besteuerung bei Wegzug in die Schweiz s. Jahn, PIStB 21, 32

AUSGABE: PIStB 8/2023, S. 204 · ID: 49416150

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