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KindergeldKindergeldbezug bei inländischen Einkünften und fiktiver Steuerpflicht

Abo-Inhalt23.02.2022393 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

| Erzielt ein im Ausland wohnender Steuerpflichtiger aus der Verpachtung einer inländischen Immobilie oder eines inländischen Betriebs i. S. d. § 49 EStG inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung, so berechtigt dies zum Kindergeldbezug in allen Monaten, in denen das Pachtverhältnis besteht und für die eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG erfolgt. Aktiver Tätigkeiten (z. B. Instandhaltungsmaßnahmen) oder Zahlungseingänge in den jeweiligen Monaten bedarf es dazu nicht (BFH 23.3.21, III R 11/20, DStR 21, 1814). |

Sachverhalt

Die Mutter lebte seit 1967 auf einer deutschen Insel und betrieb dort ein Hotel. Im Oktober 2015 verpachtete sie das Hotel mit Ausnahme einer eigengenutzten Wohnung. Aus der Verpachtung erzielte sie ausweislich ihrer Jahresabschlüsse in den Jahren 2016 und 2017 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Mai 2016 meldete sie sich bei der (inländischen) Gemeinde mit einer neuen Anschrift in Italien ab.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für die im November 2001 geborene Tochter für die Monate Juni 2016 bis Oktober 2017 auf und forderte das für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (FG Schleswig-Holstein 20.11.18, 3 K 78/18). Jetzt hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

Anmerkungen

Nach § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b) EStG hat Anspruch auf Kindergeld, wer nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Dabei muss eine Behandlung „nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig“ jedoch nicht notwendigerweise für den gesamten Veranlagungszeitraum i. S. v. § 25 Abs. 1 EStG vorliegen. Aufgrund der kindergeldspezifischen monatsbezogenen Betrachtungsweise kann der Anspruch auf Kindergeld auch nur für die Kalendermonate bestehen, in denen der Kindergeldberechtigte inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt, die nach § 1 Abs. 3 EStG der Einkommensteuer unterliegen (BFH 14.3.18, III R 5/17, Rz. 11 und 13, PIStB 18, 178).

Der BFH hat beanstandet, dass das FG nicht geprüft hat, ob die Voraussetzungen der fiktiven Steuerpflicht auch von Januar bis Oktober 2017 nachgewiesen waren und ob zu koordinierende Ansprüche in einem anderen Mitgliedstaat bestehen. Hierzu stellt der BFH fest:

  • Ob beim Kindergeldbezug der Anspruchsteller nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde und deshalb nach § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b) EStG Kindergeld beanspruchen kann, richtet sich nach dem Einkommensteuerbescheid, soweit dieser nicht auf falschen Angaben des Steuerpflichtigen beruht (BFH 22.2.18, III R 10/17, PIStB 18, 270). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid materiell-rechtliche Fehler aufweist.
  • Erzielt ein im Ausland wohnender Steuerpflichtiger aus der Verpachtung einer inländischen Immobilie oder eines inländischen Betriebs i. S. d. § 49 EStG inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung, so berechtigt dies zum Kindergeldbezug in allen Monaten, in denen das Pachtverhältnis besteht und für die eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG erfolgt. Aktiver Tätigkeiten (z. B. Instandhaltungsmaßnahmen) oder Zahlungseingänge in den jeweiligen Monaten bedarf es dazu nicht.

Im zweiten Rechtszug muss nun das FG aufgrund der kindergeldspezifischen monatsbezogenen Betrachtungsweise prüfen, ob die Mutter tatsächlich für den Zeitraum Januar bis Oktober 2017 nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt wurde. Der Streitfall war nicht spruchreif, weil das FG weder einen auf § 1 Abs. 3 EStG beruhenden Einkommensteuerbescheid für 2017 angefordert hat noch aus anderen Gründen festgestellt hat, dass die Mutter nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt wurde. Eine erst im Beschwerdeverfahren vorgelegte Kopie des Einkommensteuerbescheides war vom BFH nicht zu beachten.

Zudem ist zu ermitteln, ob für die Tochter von der Mutter oder von dem Vater in einem anderen Mitgliedstaat Familienleistungen beansprucht werden können, die nach Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.04 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung mit dem Kindergeldanspruch zu koordinieren sind. Unschädlich könnte dann sein, dass solche Leistungen bislang nicht beantragt wurden (BFH 1.7.20, III R 22/19, PIStB 21, 64).

Merke | Dem Einkommensteuerbescheid kommt für den Kindergeldanspruch Bindungswirkung zu, soweit er nicht auf falschen Angaben des Steuerpflichtigen beruht. Es kommt auch nur auf die tatsächliche Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG an, ein materiellrechtlich vollständig „richtiger“ Steuerbescheid ist nicht erforderlich.

Weiterführende Hinweise
  • Zur Anrechnung polnischer Familienleistung „500 plus“ auf in Deutschland gezahltes Kindergeld“ s. PIStB 20, 60
  • Zum Kindergeldanspruch bei Familienwohnsitz in China s. PIStB 20, 308
  • Zum Kindergeldanspruch bei einem nach Deutschland entsandten ausländischen Arbeitnehmer“ s. PIStB 21, 64

AUSGABE: PIStB 3/2022, S. 64 · ID: 47614700

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