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ArchitektenrechtOLG bestätigt LG: Auch ein Rechtsanwalt ist ein Verbraucher und kann Vertrag widerrufen
| Die Rechtsprechungsfälle häufen sich, in denen Gerichte Verbrauchern bestätigen, einen Architektenvertrag wegen nicht ausreichender Aufklärung über sein Widerrufsrecht kündigen zu können. Jüngst ging es darum, ob auch ein Rechtsanwalt das Widerrufsrecht in § 312b BGB nutzen kann. Das OLG Frankfurt hat jetzt eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurts bestätigt, dass die Antwort „Ja“ lautet. Wer für private Bauherren tätig ist, sollte die Lehren aus dieser Rechtsprechung ziehen. |
Die gesetzliche Vorschrift in § 312b BGB
Früher hieß das Thema „Fernabsatzvertrag“, jetzt heißt es „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ (§ 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB).
§ 312b BGB / Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge |
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge, Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.
(2) (...) |
Unterfällt ein Vertrag dieser Regelung hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. Darüber haben Sie ihn aufzuklären. Tun Sie das nicht, hat er zwölf Monate Zeit, aus dem Vertrag auszusteigen ohne Sie für Ihre bis dahin erbrachten Leistungen honorieren zu müssen.
Der aktuelle Fall vor dem OLG Frankfurt
Vor dem OLG Frankfurt ging es aktuell um einen Fall, der § 312b Abs. 1 Nr. 3 BGB unterfiel. Die Parteien hatten am 13.06.2022 per E-Mail einen Architektenvertrag für den An- und Umbau eines Einfamilienhauses zu einem Drei-Familienhaus geschlossen. Das Besondere an dem Fall war, dass der Bauherr zuvor einen anderen Architekten hatte. Mit dem hatte er sich überworfen. Zum Nachfolger kam der Kontakt über ein Internetportal zustande, über das dieser seine Leistungen anbot. Bauherr und Nachfolgearchitekt kommunizierten per E-Mail. Ergebnis war, dass Architekt 2 die Genehmigungsplanung von Architekt 1 überarbeiten und die Ausführungsplanung erstellen sollte. Eine Widerrufsbelehrung seitens des Architekten 2 war im Rahmen des Vertragsschlusses nicht erfolgt. Das Geschäftsverhältnis zu Architekt 1 hatte der Bauherr mit Widerruf vom 15.06.2022 beendet.
Architekt 2 bearbeitete dann – wie vereinbart – die Lph 1 bis 4 nach und rechnete nach Stunden ab. Der Bauherr zahlte drei Abschlagsrechnungen. Bei der vierten stellte er sich quer. Er widerrief den Vertrag, weil er über sein Widerrufsrecht nicht aufgeklärt worden sei und forderte auch die Abschlagszahlungen zurück.
Die Entscheidung des LG Frankfurt a. M.
Nach dem LG Frankfurt hat jetzt auch das OLG dem Bauherrn Recht gegeben. Ihm stand aus §§ 312, 312g Abs. 1, 312c Abs. 1, 2 BGB ein Widerrufsrecht zu, da zwischen den Parteien ein Fernabsatzvertrag geschlossen worden war (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.01.2024, Az. 21 U 49/23, Abruf-Nr. 240328).
Bauherr war auch als Anwalt ein „Verbraucher“
Zunächst war der persönliche Anwendungsbereich nach § 312 Abs. 1 BGB eröffnet, nach dem die Vorschriften der §§ 312 ff. BGB nur auf Verbraucherverträge anzuwenden sind. Der Bauherr war Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, der Architekt Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Dem stand nicht entgegen, dass der Bauherr selbst als Rechtsanwalt tätig war und somit über rechtliche Kenntnisse verfügte. Denn auch eine als Rechtsanwalt berufstätige Person ist grundsätzlich Verbraucher im Sinne des § 13 BGB. Er hatte den Vertrag unstreitig nicht zu gewerblichen oder berufsbedingten Zwecken, sondern aus privaten Gründen geschlossen – so das LG.
Vertragsschluss erfolgte ausschließlich über Fernkommunikation
Ferner handelte es ich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrag auch um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c BGB. Die Parteien haben für den Vertragsschluss ausschließlich per E-Mail und damit per Fernkommunikationsmittel kommuniziert. Das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge ergibt sich aus § 312g Abs. 1 BGB, der für das Widerrufsrecht von Verbrauchern für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen auf § 355 BGB verweist.
Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für den gesetzlich als Ausnahmetatbestand formulierten Fall des § 312c Abs. 1 BGB, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatzvertrag organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist, wenn ausschließlich Fernkommunikationsmittel genutzt wurden. Hinsichtlich des gesetzlich normierten Ausnahmetatbestands hatte der Architekt aber lediglich pauschal behauptet, dass es sich bei dem Vertragsschluss via E-Mail um eine Ausnahme gehandelt habe und er Verträge mit Bauherren normalerweise nicht mit Fernkommunikationsmitteln schließen würde. Im Saldo halte er kein – für den Fernabsatz organisiertes – Vertriebs- und Dienstleistungssystem vor. Das überzeugte das LG nicht.
Die Konsequenz: Über Widerrufsrecht belehren
Dem Verbraucher steht bei AGV ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss. Sie beginnt jedoch nicht zu laufen, bevor Sie den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular informiert haben.
Dazu hat der Gesetzgeber ein Muster für die Widerrufsbelehrung eingeführt, das Sie unbedingt verwenden sollten. D. h.: Sie müssen das Musterformular zutreffend ausfüllen und dem Verbraucher vor Vertragsschluss in Textform übermitteln. Das Muster sieht wie folgt aus:
Musterschreiben / Widerrufsbelehrung bei AGV |
Widerrufsbelehrung Widerrufsrecht Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (zum Beispiel einem mit der Post versandten Brief, einem Telefax oder einer E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden. Folgen des Widerrufs Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. |
Falls Sie als Auftragnehmer die Widerrufsbelehrung vergessen oder diese fehlerhaft ist, verlängert sich die Widerrufsfrist Ihres Auftraggebers auf maximal zwölf Monate nach Ablauf der eigentlichen Widerrufsfrist. Das Widerrufsrecht erlischt damit spätestens nach zwölf Monaten und 14 Tagen.
Fazit | Um das Risiko „Widerruf des Vertrags“ zu minimieren, ist es am sichersten, Architektenverträge mit privaten Bauherren nur noch innerhalb des eigenen Büros zu schließen. Um den neuen Anforderungen in jedem Fall zu entsprechen, empfehlen wir, bei Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume den Vertragsunterlagen grundsätzlich eine Widerrufsbelehrung beizulegen. |
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